Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Ueber die Grenzabscheidung zwischen Strafrecht- 
sprechung und Verwaltung. Vortrag, gehalten in Fort- 
bildungskursen für Verwaltungsbeamte in Stuttgart im Januar und 
März 1914 von Regierungsrat Dr. Hofacker im K. Württ. Ministerium 
des Innern. Verlag von W. Kohlhammer, 1914. (152 8. S.) 
Die Vorträge treten ein für den Ausbau eines Verwaltungsstrafrechts 
und betrachten zu diesem Zwecke das Verhältnis der Rechtsprechung zur 
Verwaltung im allgemeinen und zur Strafrechtsprechung im besonderen, 
indem sie davon ausgehen, daß nach der zu erwartenden Umgestaltung des 
Strafrechts die Strafrechtsprechung künftig von der Verwaltung begrifilich 
und tatsächlich nicht mehr zu unterscheiden sein werde. Die Zuständig- 
keitsabgrenzung habe sich auch jetzt nur geschichtlich herausgebildet. 
Der Grundsatz des $ 1 GVG. schließe unabhängige, nur dem Gesetz unter- 
worfene Gerichte für die Verwaltung nicht aus, die Betätigung eines freien 
Ermessens werde von der freien Rechtsschule auch jetzt schon für den 
Richter beansprucht und vielfach tatsächlich geübt, die Gesetze selbst hätten 
schon jetzt das Bestreben, die Bestimmungen dem Wortlaut nach weiter 
zu fassen als die Absicht des Gesetzes geht und (vgl. hiezu meine Aus- 
führungen über das bayrische Wassergesetz in DRZ. 1915 Nr. 15 und 16) 
man vermeide es, auf Begriffe mit feststehendem Inhalt abzustellen. An 
Stelle des Zwangs zur Erhebung der öffentlichen Klage und zur Aburtei- 
lung in Fällen, die dem Strafgesetz unterliegen, solle jetzt auch hier größere 
Freiheit treten, neben die Strafverfolgung die Verbrechensbekämpfung durch 
vorbeugende, sichernde usw. Maßnahmen, Die Grenzscheidung gegenüber 
der Verwaltung habe man dabei ganz vernachlässigt. 
Von dem LaABanDschen Satze aus, daß im Wesen der richterlichen 
Entscheidung die Gebundenheit liege, im Wesen des Verwaltungsaktes aber 
die rechtliche Freiheit der Entschließung, verfolgt HorAcker (8. 19) dann 
das freie Ermessen in der Betätigung beider Gewalten. 
Während der Richter wohl häufig allgemeine Begriffe nach der Ver- 
kehrssitte auszufüllen hat (vgl. jetzt OERTMANnN, Rechtsordnung und Ver- 
kehrssitte insbesondere nach Bürgerlichem Recht 1914), aber selten „frei 
von jedem gesetzlichen Vorstellungsinhalt“ wollen und entscheiden kann 
— auch die Wahl des Strafmaßes und der Ausspruch von Nebenstrafen ist 
nicht reines Ermessen in diesem Sinn —, steht es dem Verwaltungsbeamten 
in den meisten Fällen vollkommen frei, Anordnungen z. B. polizeilicher 
Art zu treffen oder nicht, er kann ohne Erlaubnis aufgeführte Bauten dulden 
oder gegen sie einschreiten usw. Wenn KITzinGer, Die Verhinderung 
strafbarer Handlungen durch Polizeigewalt 1913 S. 119f. in diesen Fällen 
eine Pflicht zum Einschreiten annimmt, so wendet sich HoFACKER (8. 25) 
mit Recht dagegen (vgl. jetzt auch z. B. JELLINEK in dieser Zeitschrift 
Bd. XXXII S. 590), weil regelmäßig die Polizei über die Verwendung ihrer 
Machtmittel nach freiem Ermessen verfügt, soweit nicht eine unmittelbare
	        
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