Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

EHRENBERG und OTTO GIERKE erschüttert und erschütternd den Tod des 
„großen Meisters der Dogmatik des bürgerlichen Rechts“ beklagt hatten. 
Der Nachruf von MıTrTEıs kann weder mit der großen Gedenkrede 
STROHALS auf UNGER noch mit den wenigen Worten der STROHAL besonders 
nahestehenden Mitherausgeber verglichen werden. MiTTEIS schreibt in 
ruhiger Abgeklärtheit den Nekrolog, als Biograph schildert er das Leben 
und die Persönlichkeit des Dahingeschiedenen, wird er seinen Werken ge- 
recht und zeigt ihn uns, wie ihn die Begeisterung des Deutsch-Oester- 
reichers für Deutschland vom Oesterreichischen „Allgemeinen Bürgerlichen 
Gesetzbuch“, zu dessen Jahrhundertfeier er huldigend noch 1911 die schöne 
Arbeit über ‚relative Unwirksamkeit“ darbrachte, zum deutschen „Bürger- 
lichen Gesetzbuch“ geführt hat. 
Möchte es Deutschland und Oesterreich nach glücklicher Beendigung 
des gemeinsam geführten Krieges beschieden sein, auf den Bahnen des 
Friedens noch mehr solche Männer gemeinsam zu besitzen. 
Zweibrücken Silberschmidt. 
München. — 
Andreas von Tuhr, Der Allgemeine Teil des deutschen 
bürgerlichen Rechts. Zweiter Band erste Hälfte. (BınnDıng, 
Systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft, Zehnte 
Abteilung erster Teil). Verlag von Duncker und Humblot. München 
und Leipzig 1914. 
Je mehr dieses Werk vorwärts schreitet, desto nıehr zeigt sich seine 
große Bedeutung für den planmäßigen Aufbau des deutschen bürgerlichen 
Rechts auf der Grundlage insbesondere der Seelenlehre. Es ist hier nicht 
der Ort, um das im einzelnen auszuführen. Aber „die rechtserheblichen 
Tatsachen“, die den Inhalt des hier anzuzeigenden Halbbands bilden, haben 
für das Öffentliche Recht, insbesondere für seine Verträge und für die 
Verwaltungsrechtspflege, nahezu die gleiche Wichtigkeit wie für das bür- 
gerliche Recht und insoweit verlohnt es sich auf den Inhalt des Buches 
auch hier näher einzugehen. 
von TUuHRr geht von der Forderung des Gerechtigkeitsgefühls aus, daß 
an gleiche Tatsachen (Tatbestand) gleiche Rechtsfolgen sich anzuknüpfen 
haben, die zunächst der Gedankenwelt angehören und im Geiste der be- 
teiligten Menschen bestehen, die aber infolge des uns innewohnenden Ge- 
setzlichkeitssinns freiwillig befolgt und auch selbst gegen den Willen des 
Widerstrebenden durchgesetzt werden (S. 4). Schon hier zeigt es sich, 
wie von Tunr das Recht aus der Menschenseele zu entwickeln sucht, wo- 
bei er aber auch den geistigen Dingen eine „Realität“ (S. 5 A. 7) zuspricht 
und sie dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterwirft. Wenn er aber 
die zwischen Tatbestand und Rechtsfolge bestehende, auf dem Willen des 
Gesetzes beruhende „Kausalität“ in letzter Linie in der Beschaffenheit des 
menschlichen Denkens begründet sein läßt, so muß gerade hier betont 
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