Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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kaiserlichen Verordnungen provisorische Gesetzeskraft zukommt, 
sie demnach bis auf weiteres Gesetzen gleichzuhalten sind, können 
wir daher von „Kriegsgesetzen“ sprechen. Die Rechtsschöpfung 
geschah nun in der Weise, daß die betreffenden Rechtsnormen in 
solchen kaiserlichen Verordnungen geschaffen wurden oder aber 
in einer allgemein gefaßten kaiserlichen Verordnung dem Gesanıt- 
ministerium oder einzelnen Ressortministern in einem bestimmten 
Umfange die Ermächtigung erteilt wurde, Rechtsnormen zu schaffen. 
Die Rechtsschöpfung fand daher ihren Ausdruck in kaiserlichen 
Verordnungen, Gesamtministerialverordnungen und Verordnungen 
der einzelnen Ressortminister eventuell auch im Einvernehmen mit 
anderen sachlich beteiligten Ministern. 
Nunmehr soll zur Erörterung der einzelnen Rechtsgebiete 
geschritten werden. 
I Verfassungsrecht. 
Das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staats- 
bürger” enthält eine Reihe von verfassungsrechtlich gewährleisteten 
Freiheitsrechten. Ihre unbedingte Aufrechterhaltung erweist sich 
in Kriegszeiten als undurchführbar, wenn nicht die Interessen des 
Staates einer Gefährdung ausgesetzt werden sollen. Abgesehen 
davon, daß sie antistaatlichen Elementen unter den eigenen Staats- 
bürgern Gelegenheit zur Schädigung des Staates gewähren, bieten 
mit ausdrücklicher Beziehung auf diese Bestimmung des Staatsgrundgesetzes 
kundgemacht werden. 
Die Gesetzeskraft dieser Verordnungen erlischt, wenn die Regierung 
unterlassen hat, dieselben dem nächsten nach deren Kundmachung zusam- 
mentretenden Reichsrate, und zwar zuvörderst dem Hause der Abgeord- 
neten, binnen vier Wochen nach diesem Zusammentritte zur Genehmigung 
vorzulegen, oder wenn dieselben die Genehmigung eines der beiden Häuser 
des Reichsrates nicht erhalten. 
Das Gesamtministerium ist dafür verantwortlich, daß solche Verord- 
nungen, sobald sie ihre provisorische Gesetzeskraft verloren haben, sofort 
außer Wirksamkeit gesetzt werden.“ 
® Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142,
	        
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