Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Macht unterdrückt, also vergewaltigt, fehlt in unserem Fall dieser 
Konflikt, denn — und darüber besteht kein Zweifel — mit diesem 
Verfassungsbruch sind alle zur Bildung des Staatswillens berufenen 
Faktoren einverstanden. Es ist — um die Erscheinung an einem 
Beispiel des täglichen Lebens zu illustrieren — das gleiche, als 
wenn vier Bridgespieler in stillschweigendem Einverständnis eine 
Spielregel nicht einhalten. Niemand wird ihnen Falschspiel vor- 
werfen können. Wie auf so vielen anderen Gebieten, so zeigt 
uns der Krieg auch auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes 
neue Gesichtspunkte, nach denen wir die Betrachtung der Dinge 
neu orientieren müssen. Wir waren bisher gewohnt aus den das 
Zustandekommen des Staatsrechtes regelnden Normen auf das 
Wesen des Staatswillens selbst zu schließen. Wenn diese Normen 
bestimmten, daß der Staatswille durch in bestimmten Formen auf- 
tretende Uebereinstimmung des Willens von Krone und Parlament 
zustande kommt, so waren wir meist geneigt anzunehmen, daß 
der Staatswille eben die Willensübereinstimmung von Krone und 
Parlament ist, daß mit dieser Definition das Wesen des Staats- 
willens erfaßt und auch erschöpft ist. Der vorliegende Fall zeigt 
aber, daß diese Form des Staatswillens eben nur eine Erschei- 
nungsform des Staatswillens ist, aus der keineswegs der Schluß 
gezogen werden kann, daß der Staatswille nicht auch in einer 
anderen Form in Erscheinung treten kann, genau so wie in der 
Erscheinungsform „Eis“ das Wesen des Wassers nicht erschöpft 
ist. Damit soll nicht ein mystischer Staatswille, ein „Staatswille 
an sich“ konstruiert werden, der hinter der Wirklichkeit sein 
Wesen treibt, sondern nur eine Tatsache konstatiert werden, an 
der man nicht vorbeigehen kann, wenn man tiefer in das Wesen 
und das Leben des Staates blicken will. 
Ihrem Zwecke und ihrer Stellung außerhalb des Rechtssystems 
entsprechend, tritt die Prisengerichtsordnung als eine provisorische 
Maßnahme auf. Der $ 1 hebt ausdrücklich hervor, daß sie nur
	        
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