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Gewöhnung, vermindert aber andererseits stetig die Zahl der voll
Ausgebildeten und führt bei der Notwendigkeit, die entstandenen
Lücken bald auszufüllen, zu einer Verkürzung der Ausbildungs-
zeiten für neu Einberufene, während zugleich die Bereitstellung
wirklich guten Ausbildungspersonals immer schwieriger wird. Miß-
stände, unter denen natürlich auch die Gegner, ja im Hinblick auf
die mustergültige Organisation unseres Heerwesens in erhöhtem
Maße zu leiden haben. Trotz alledem aber ist selbst in den Schluß-
stadien eines solchen Krieges die Zusammensetzung eines Heeres
mit althergebrachter zweijähriger, dreijähriger Dienstzeit noch sehr
weit entfernt von dem Bilde, wie es ein nach dem Milizsystem
gebildetes Heer in den Anfängen und nicht besser gegen Ende
des Krieges bieten würde. Es ist ein arger Trugschluß, wenn man
aus der unvermeidlichen allmählichen Verschlechterung der Heeres-
qualität im Kriege einen Grund für die Einführung des Milizsystems
entnommen hat. Einem Milizheere fehlt es von vornherein an der
gehörigen militärischen Tradition, an den festen Rahmen, die ein
stehendes Heer den neu Eingestellten bietet, an irgend genügen-
dem Ausbildungspersonal und die erheblich geringere Leistungs-
fähigkeit von Mannschaften, die erst im Laufe des Krieges kurze
militärische Schulung erhalten haben, wird nicht abgeschwächt’
durch Mischung mit voll ausgebildeten Soldaten. Für das Deutsche
Reich und Oesterreich-Ungarn in ihrer zentralen Lage gegenüber
mächtigen Gegnern käme der Uebergang zum Milizsystem dem
Selbstmorde gleich.