Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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Im Resultat erklärt der Verfasser S. 61 ff. im wesentlichen alle Kampf- 
mittel nach dem „lebenden“ Völkerrecht für zulässig, welche in dem gegen- 
wärtigen Weltkriege zur Anwendung gebracht worden sind, nur mit der 
praktisch nichts bedeutenden Einschränkung, daß sie in möglichst schonen- 
der Art vorzunehmen seien. Die vom Verfasser aus dieser sehr elastischen 
Beschränkung und aus dem Grundsatz, daß der bürgerlichen Bevölkerung 
nur solche Leiden zuzufügen seien, welche zur Erreichung des Kriegsziels 
erforderlich sind, als unzulässig hergeleiteten Kriegshandlungen sind schon 
im Laufe des Krieges von den Engländern und ihren Verbündeten ganz 
rücksichtslos vorgenommen worden; sie würden also nach der vom Verfasser 
angenommenen „Revolution“ des Völkerrechts auch bereits rechtlich zu- 
lässig geworden sein. 
Das Völkerrecht enthält nur wenige wirkliche Rechtssätze; zu ihnen 
gehört namentlich der Satz: pacta servanda sunt. So lange eine der größten 
Weltmächte diesen Satz nicht anerkennt, sondern Staatsverträge zwar ab- 
schließt, aber sie bricht, wofern es ihrem Eigennutz entspricht, und Lug 
und Trug andern Staaten gegenüber für erlaubt und als die besten Kampf- 
mittel erachtet (Flaggenbetrug, heimliche Bewaffnung der Handelsschiffe, 
Fälschung des Begriffs der Konterbande, der Blockade usw.), so lange gibt 
es kein wirkliches, d. h. mit Geltung und verbindlicher Kraft ausgestattetes 
Völkerrecht. Würden die Staaten der Welt sich vereinigen und die geeig- 
neten Maßregeln ergreifen, um die von England ausgeübte Tyrannei zu 
brechen und England zu einem den Grundsätzen der Sittlichkeit und des 
Rechts entsprechenden Verhalten zu zwingen, so würde damit erst die Vor- 
aussetzung für ein geltendes und unverbrüchliches Völkerrecht geschaffen 
sein. Dann erst würde ein wahrhaft lebendes Völkerrecht an die Stelle 
des jetzigen treten, welches zum großen Teil nur ein Scheinleben in Kon- 
ferenzbeschlüssen und Lehrbüchern führt. 
Laband. 
Dr. Kurt Wolzendorff, Privatdozent in Marburg, Staatsrecht und 
Naturrecht in der Lehre vom Widerstandsrecht des 
Volkes gegen rechtswidrige Ausübung der Staatsgewalt,. (Unter- 
suchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte herausgegeben 
von A. v. GIERKE. Heft 126.) Breslau 1916. XIV u. 535. 
Die Anschauung, daß der Widerstand gegen rechtswidrige Handlungen 
des Inhabers der Staatsgewalt und äußerstenfalls die Absetzung, Vertrei- 
bung, Tötung des Tyrannen zulässig sei, wird teils auf naturrechtliche, teils 
auf positivrechtliche Gründe gestützt, die sich gegenseitig vielfach ergän- 
zen und unterstützen. Der Verfasser untersucht in sehr eingehender und 
ausführlicher Weise das Verhältnis dieser Gründe zu einander und zu der 
bestehenden Verfassung, namentlich zu dem dualistischen Ständestaat. Er 
zeigt, daß der große und lange andauernde Einfluß der Monarchomachen
	        
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