Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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und dem 19. Juni 1723 (d. i. dem Tage der Sanktionierung der 
Gesetze durch Unterfertigung und Siegelung) gestorben, so wäre 
die Thronbesteigung in Ungarn unbedingt im 
Sinne der GA. 2 und 3:1688 erfolg. Es kann somit bis 
zum 19. Juni 1723 in Ungarn von einer Pragmati- 
schen Sanktion keine Rede sein. 
2. Die rechtliche Natur des am 19. Juni 1723 
sanktionierten handschriftlichen Gesetzurtex- 
tes. Was nunmehr die rechtliche Natur des am 19. Juni 1723 
sanktionierten und am 2. Juli dem Reichstage feierlichst vorge- 
legten handschriftlichen Originalexemplares betrifft, müssen wir, 
um diese erwägen zu können, vor allem mit den formellen Er- 
fordernissen der Gesetze jenes Zeitalters ins Reine kommen, da 
bei uns eine alte konstitutionelle Auffassung herrscht, laut welcher 
der Begriff des Staatsgesetzes durch die Form seiner Entstehung 
bestimmt wird. Vor 1848 verstand man laut der ungarischen 
Verfassung unter Gesetz einen in Schrift gefaßten Staatswillen, 
der von dem gesetzlich versammelten Reichstage unter Beibehal- 
tung der gesetzlichen Formalitäten geäußert und von dem gekrön- 
ten König sanktioniert und dann verkündigt wurde. Eigentlich 
entsteht der allerhöchste Staatswille bereits bei der Sanktionierung. 
Ein sanktionierter Reichstagsbeschluß ist eigentlich ein Gesetz. 
Aber die Sanktionierung hat keine selbständige Kraft. Sie ge- 
schieht nämlich nicht öffentlich, und so erhält vor der Verkündi- 
gung niemand Kenntnis davon. Um die gewünschten Wirkungen 
zu erzielen, muß das Gesetz öffentlich zur Kenntnis gebracht, das 
heißt, es muß verkündigt werden. Ebendeshalb wird der Ver- 
kündigung die Rechtswirkung beigemessen, daß von da an 
die Gültigkeit des Gesetzes beginnt. (Tripartitum Teil II, Titel 5, 
8 5.) 
Vor 1868 gab es kein Reichsgesetz, wodurch die Kundmachung 
geregelt wurde, doch war es bis zur Schlacht bei Mohäcs ge- 
bräuchlich, die auf dem Reichstage erbrachten Gesetze in einen
	        
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