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großen Staatstheorie, die sich unter dem bestimmenden Einfluß schweize-
rischer Rechtsgedanken entwickelt hat: Die Theorie der politischen und
religiösen Freiheit“. Der Genfer Calvinismus ist gemeint. Da mag man
nun rechten, ob es sich wirklich um eine „Staatstheorie® handelt, ob Calvin
gerade in erster Linie ein Vertreter „der religiösen Freiheit war und ob
die Genfer politischen Freiheitsgedanken auf Ursprünglichkeit Anspruch
haben. Unbestreitbar ist jedoch der Calvinismus der große Erzieher zur
politischen Freiheit geworden und in diesem Sinn gibt er die glänzendste
Farbe zu dem Bilde, das hier geboten werden soll. JELLINEKs Anregungen
sind natürlich auch dabei verwertet.
Der Verfasser beweist wieder überall seine bekannte Gabe klarer und
packender Darstellung. O.M.
Ernst Zitelmann, Die Möglichkeit eines Weltrechts. Duncker & Humblot;
. München und Leipzig 1916. 478.
Ein im Jahre 1888 zu Wien gehaltener Vortrag findet hier unverän-
derten Abdruck. Die Annalıme, daß jetzt eine Vereinheitlichung des Rechts
in Deutschland und Oesterreich zu hoffen sei, hat das für wünschenswert
erscheinen lassen. Ein Nachwort berücksichtigt mehrere seither notwendig
gewordene Erwägungen, die zum Teil auch Dämpfungen sind.
Auf rein deduktivem Wege, ausgehend von einer „Kritik der reinen
Vernuntt auf juristischem Gebiete‘, gelangt Verf. bereits S. 18 zu der ent-
scheidenden Antwort: „Ein Weltrecht muß möglich sein“. Dann folgen
noch die Fragen, ob es auch nötig ist, ob wünschenswert und wie prak-
tisch zu erreichen. — Eine nüchterne Betrachtung der Wirklichkeiten wird
uns das Maß, in welchem es wahrscheinlich ist, nicht allzu hoch ein-
schätzen lassen. O0. M.
Dr. Karl Pickel, Die Staatsaufsicht über die Selbstverwaltungsverbände
der Weißen in Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika vor dem
Weltkriege. München, Berlin und Leipzig 1916. J. Schweitzer Ver-
lag (Arthur Sellier). 87 8.
In Deutsch-Südwestafrika hat sich schon eine recht kräftige Selbstver-
waltung herausgebildet, so daß es sich verlohnt, ihre Rechtsordnung zur
Darstellung zu bringen. Deutsch-Ostafrika bietet wenigstens die Stadtge-
meinden Daressalam und Tonga. Ein Zeichen von Unfertigkeit ist die
mangelhafte Abgrenzung der Gewalt der Aufsichtsbehörden: sie können
einschreiten auch gegen rechtmäßiges Verhalten des Selbstverwaltungs-
körpers, welches „die gemeindlichen Interessen beeinträchtigt bzw. die
Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung“ (8. 65). Unter diesen Umständen
würde wohl auch eine Verwaltungsgerichtsbarkeit, welche der Verfasser
vermißt, nicht viel bedeuten.