Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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eines collegium (58 f.) wird im Verfassungstexte nicht ausgesprochen und 
ist dabei auch gar nicht erforderlich. Das Vorbild ist nicht, wie I. ver- 
mutet, altständisch in der Form (diese ist wie eben gezeigt gar nicht die 
gleiche) und angelsächsisch in der Sache (es handelt sich dabei gar nicht 
um eine Prärogative der zweiten Kammer, vielmehr um das Staatsinteresse), 
sondern die schwedische Verfassung von 1809 und aus dieser z. B. auch 
nach Baden, Württemberg, Hessen-Darmstadt übernommen. — 
Daß die „Freiheit- und Eigentumsformel“ in Sachen der Gesetzgebung 
nichts mit „Schlagworten der französischen Revolution“ zu tun hat, sondern 
der konstitutionellen Theorie JoHN Lock&s entstammt, ist längst bekannt 
und genügend erörtert. Die mit ihr umschriebenen Materien, die der par- 
lamentarischen Zustimmung bedürfen, sind keineswegs „prinzipiell dieselben 
wie in der alten Zeit“ (S. 60. KArL LupwIe von HALLER hat zwar den 
Inhalt der Formel als wertlos hinstellen wollen, sie paßte ihm trefflich in 
seine patrimoniale Theorie; aber weniger voreingenommene Beurteiler wie 
K. S. ZACHARIÄ und namentlich STAHL haben sie in einem umfassenderen 
Sinne interpretiert (im wesentlichen schon der Unterscheidung zwischen 
Gesetz und Verordnung in der heutigen Staatsrechtslehre gleichkommend). 
Die ferner vor das parlamentarische Forum gehörige Kategorie der „kon- 
stitutionellen“ Gesetze entspricht „der altständischen Sphäre der iura singu- 
lorum*“ (Staat). Die Parallele mit der früheren Zeit ist auch insofern un- 
zulässig, als Gesetze über den Privatrechtszustand, z. B. ein neues Zivilge- 
setzbuch in der Regel damals gerade keiner ständischen Zustim- 
mung bedurften, sondern nur Beirat erforderten (STAHL). 
Die Initiative glaubt I. in Weimar „in der Art geregelt, wie es in 
alter Zeit im allgemeinen gehalten zu werden pflegte“ (89). In Wirklich- 
keit ist das gerade Gegenteil der Fall. Für Bayern, wo die gleiche mo- 
derne Gestaltung der parlamentarischen Kompetenz zur Initiative aus dem 
Wortlaut des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Edikt über die Stände- 
versammlung zu konstatieren ist, geht Vf. auf diesen Punkt gar nicht ein. 
Die S. 87 wiederholte Bemerkung MosErs, „der Unterschied zwischen 
schrift- und amtsässigen Edelleuten sei nur in Sachsen üblich‘, ist irrig. 
Die sich hierin ausdrückende Klassifizierung des Adels ist z.B. in Magde- 
burg, Pommern und der Mark gang und gebe (an den zwei letzten Stellen 
entsprechen die sog. „Schloßgesessenen den sächsischen Schriftsässigen). 
Zu vergleichen sind dabei die Verhältnisse in England: die durch „writ“ 
geladene nobility im Gegensatz zu der durch den sheriff geladenen gentry! 
Das Petitionsrecht ist in den deutschen Verfassungen nicht um soviel 
ausführlicher entwickelt als in der Charte, wie das I. glauben machen will 
(122). Das angeblich in besonders vorbildlicher Weise wirksame Be- 
schwerderecht der altdeutschen Landtage haben die etats generaux in ihren 
cahiers de doleance ebenso reichlich geübt. — 
Durch die vorliegenden Untersuchungen wird der Eindruck befestigt,
	        
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