Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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derungen des merkantilistischen Zeitalters an den größeren Wirtschafts- 
körpern des 20. Jahrhunderts zu wiederholen scheinen, aufmerksam ge- 
macht. In ihm liegt die entscheidende Forderung der „Soziopolitik“. 
Dieser „Neumerkantilismus‘, wie man wohl auch gesagt hat, bezweckt, die 
Staaten wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen, und dieses Ziel kann 
unter den in unserer Zeit gegebenen Verhältnissen nicht anders als durch 
Expansion, durch Hinzunahme neuer wirtschaftlich leistungsfähiger Gebiete 
in den Rahmen der einzelnen Mächte erreicht werden. Seit SCHMOLLERS 
epochemachender Untersuchung haben wir den Merkantilismus des 17. und 
18. Jahrh. als die wirtschaftliche Begleiterscheinung beim Prozeß der 
Staatenbildung, als ein Stück Staatsbildung selbst, kennen und werten ge- 
lernt. Es sei bei dieser Gelegenheit auf die Parallelität der Entwicklung 
hingewiesen. Auch für unsere Zeit handelt es sich ja um einen Akt der 
Staatenbildung, um den Versuch politisch-wirtschaftlicher Abrundung und 
Selbstbefriedigung, nur in unvergleichlich größerem Format, eben auf plane- 
tarischer Bühne. Jene Autarkie nun besaß England bereits durch seine 
Seeverbindung mit den Kolonien. Während für Deutschland das Levante- 
programm: Berlin-Bagdad der geopolitische Ausdruck für eine sozialpoli- 
tische Notwendigkeit wurde, steht England in jener kritischen Zone nicht 
unter einem solchen Zwange, „die Triebfeder, Indien und Aegypten in seiner 
Interessensphäre zusammenzuschließen, ist mehr militärischer als wirtschaft- 
licher Natur“. (Bei Rußland tritt der sozialpolitische Faktor nach Kj. in- 
folge seiner geringen wirtschaftlichen Entwicklung nicht in erster Linie 
bestimmend hervor.) Es ist dem Inselreiche in erster Linie um die Siche- 
rung seiner Weltherrschaft zu tun. „Zum zweiten Male begegnen wir hier 
dem Welteroberungsgedanken in der Ursachenverkettung des Weltkrieges.“ 
Der dabei hervortretende Gegensatz zu Deutschland ist in erster Linie 
soziopolitischer Natur, es handelt sich um einen „Weltwirtschaftskrieg‘, 
einen „Geschäftskrieg*, wie Kj., die Terminologie anderer Autoren aufneh- 
mend, hervorhebt. Um zum Ziele zu gelangen, ist England auch das 
Bündnis mit dem Zaren recht. „Aber in dieser Lage kann Deutschland die- 
selbe Stellung als Verteidiger der Freiheit auf der größeren Bühne bean- 
spruchen, wie England es auf der kleineren getan hat“, indem es nach all- 
bewährtem Rezept, spekulierend auf die Kurzsichtigkeit der Menschen, die 
immer noch einen bloß europäischen Horizont zu sehen vermögen, „zum 
Kampf gegen den neuen Napoleon aufrief“. Hier zieht Kj. „die Summe 
der Probleme des Weltkrieges“, endlich einmal mit der veralteten Formel 
vom europäischen Gleichgewicht aufräumend: „Das Gleichgewicht auf dem 
engeren Plan Europas muß aufgegeben werden, damit es auf dem weiteren 
planetarischen hergestellt werden kann“. 
Hat Deutschland die innere Eignung für diesen Kampf im Interesse 
der Welt? Schon in den „Großmächten* hatte Kj. die Frage bejaht, das 
war vor dem Kriege. Diesmal widmet er das ganze letzte Kapitel diesem
	        
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