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rung auf den beiden Friedenskonferenzen begründete Ergebnis des
Nachdenkens in ernsten Stunden aus — wie in dem Stückwerk des
Menschenlebens auf allen Gebieten auch der Schein eine Bedeutung
hat, so wird man auch im internationalen Leben, wie dies zu allen
Zeiten der Fall war, gewisse Zugeständnisse machen können an inter-
nationale Strömungen, die man als Schein erkennt, vorausgesetzt nur,
daß in solchem Schein nach gewissenhafter Erwägung keine Gefahr
für den eigenen Staat liegt.“
Es ist aber auch folgendes zu bedenken: Die friedensrechtliche Organi-
sation wird, ohne den Krieg aus der Welt schaffen zu können, doch man-
chen Krieg zu verhindern, manchen Streit schmerzlos zu beseitigen ver-
mögen; sie ist also wert, gefördert zu werden, mag ihre Wirksamkeit auch
beschränkt sein.
Wir stehen an einem Wendepunkt. Der Reichskanzler sagte vor kur-
zem:
„Wir haben niemals ein Hehl aus unsern Zweifeln gemacht, ob der
Friede durch internationale Organisationen, wie Schiedsgerichte, dauer-
haft gesichert werden könne. Die theoretische Notwendigkeit des Pro-
gramms will ich nicht erörtern. Aber praktisch werden wir jetzt und
im Frieden zu der Frage Stellung nehmen müssen. Wenn bei und
nach der Beendigung des Krieges seine entsetzlichen Verwüstungen
an Gut und Blut der Welt erst zum vollen Bewußtsein kommen werden,
dann wird durch die ganze Menschheit ein Schrei
nachAbmachung und Verständigung gehen, um, soweit
es irgend in Menschenmacht liegt, die Wiederkehr einer so ungeheuer-
lichen Katastrophe zu verhüten. Dieser Schrei wird so stark und so
berechtigt sein, daß er zu einem Ergebnis führen muß.
Deutschland wird jeden Versuch, eine praktische Lösung zu finden,
ehrlich mitprüfen und an seiner Verwirklichung mitarbeiten.‘
Würzburg. Meurer.
Max Springer, Die Coccejische Justizreform. München und
Leipzig 1914. Duncker & Humblot. XII, 887 S. Preis 10 M.
So glänzend die Erfolge König Friedrich Wilhelms I. auf den
Gebieten der Heeres- und der Finanzreform waren, so wenig Glück hatte
er trotz emsigster Bemühungen mit seinen Reformplänen in der Justiz. Die
Gerichtsorganisation erfuhr außer der Verschmelzung des Orangetribunals
mit dem Berliner Oberappellationsgericht (1716) und der Errichtung eines
besonderen Hof- und Kriminalgerichtse zu Berlin (1718-1738) nur einzelne,
kleinere Veränderungen durch Aufhebung von Mittelinstanzen und Sonder-
gerichten. Einer weiteren Vereinheitlichung der Gerichtsverfassung stand
die verschiedene Stellung der Landesteile zum Reiche hindernd entgegen.
Die vielfachen Versuche des Königs, das gerichtliche Verfahren zu ver-