Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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dies fordern. Und deshalb werden nicht nur die Voraussetzungen 
des Eintritts dieses Ausnahmezustands, sondern, und zwar selbst 
für den Kriegsfall, die Rechte der Exekutive ganz genau um- 
schrieben. Die Unabhängigkeit der Justiz erfordert dann aber, 
daß auch dem vom Kriegsgericht Verurteilten die Kassationsbe- 
schwerde zustehe, womit die Garantie dafür geschaffen wırd, daß 
keine Uebergriffe vorkommen, und niemand seinem gesetz- 
lichen (Art. 53 der Charte) Richter entzogen werden kann. 
In Deutschland war und ist es im Gegensatz zu Frankreich 
um die Gewaltenteilung ein eigenes Ding, und im Zusammenhang 
damıt um die Herrschaft des Gesetzes, die Freiheit der Person 
und deren Garantien. Einzig die Unabhängigkeit der Gerichte 
erscheint durchgeführt. Im übrigen aber enthalten die deutschen 
Verfassungsgesetze derartig zahlreiche Vorbehalte zugunsten des 
Staatsoberhaupts oder des Inhabers der Exekutive in Gestalt der 
Möglichkeit von „Oktroyrungen“ (Notverordnungsrecht), der Inne- 
habung der Militärgewalt u. a. m., daß das Fehlen dem fran- 
zösischen Rechtszustand nachgebildeter Vorschriften in den ersten 
deutschen Verfassungsurkunden gar nicht aufgefallen zu sein 
scheint. Und in einer ganzen Reihe von Staaten besaß man, als 
man die französischen Einrichtungen des &tat de guerre und siege 
kennen lernte, vorerst ja noch gar kein Verfassungsgesetz, son- 
lichem Willen leicht aus zu großer Aengstlichkeit, und weil überhaupt 
Militärpersonen gern an die Allmacht der Schreckensmaßregeln glauben, 
zu Quälereien und Freiheitsbeschränkungen gemißbraucht wird, durch welche 
eben die sonst der Regierung treuergebenen, aber denkenden Bürger 
gegen sie gestimmt werden.“ — Man drückte sich vor zwei Menschen- 
altern etwas anders aus, als wir es heute tun würden. In der Sache traf 
man aber damals doch recht oft den Nagel auf den Kopf. Damit soll in- 
dessen keineswegs gesagt sein, daß ich a priori jeder milit. Anordnung 
ablehnend gegenüberstände oder sie für Willkür hielte. In außerordentlichen 
Zeiten sind eben außerordentliche Maßstäbe anzulegen, wie ich das Annalen 
1914 8. 642 ausgeführt habe. Ich gebe durchaus den Staat und der Mili- 
tärverwaltung was ihres Amtes ist; deshalb braucht aber noch kein Ex-lex- 
Zustand einzureißen, an den man leider nur allzuoft erinnert wird. 
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