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Gerechtfertigt wird diese Strenge damit, daß „der, welcher sich
mit Waffen gegen die öffentliche Gewalt auflehnt, sich von selbst
gebrachten Aufruhr als Vorwand benutzen . Uebertriebene Aengstlich-
keit, die überall drohende Gespenster der Anarchie sieht, kann selbst die
nicht böswillige Partei veranlassen, durch Ausnahmsmaßregeln die angeb-
liche Empörung zu unterdrücken. Wer die neueren Gesetzgebungen kennt,
weiß, welcher unbestimmte Ausdruck Aufruhr ist, auf welchen schmalen
Grenzen Widersetzung und Aufruhr liegen, und wie leicht der unter unbe-
denklichen, rasch vorübergehenden Umständen vorkommende Widerstand
erst durch voreilige reizende Maßregeln von Seiten der Obrigkeit in Auf-
ruhr übergeht, wo es aber nur einer energischen Anwendung bewaffneter
Macht durch Verkündung des Aufruhrgesetzes bedarf, um den Widerstand
zu überwältigen, und wo nach unterdrücktem Aufruhr die fast regelmäßig
eintretende Abspannung und Ernüchterung eintritt, in welcher der Herr-
schaft der ordentlichen Gesetze nichts im Wege steht‘), 63 ff., 69 ff. („Be-
fugnisse der Verteidigung gehen nicht weiter, als die Abwehr des Angriffs
es fordert . So wenig der angegriffene Privatmann, wenn er seinen
Angreifer entwaffnet hat, den vor ihm liegenden unbewaffneten Feind töten
darf, so wenig darf es der Staat nach abgewehrtem Angriff. Die Handlung
des einen wie des andern würde nur Rache sein. Der Fehler liegt darin,
daß der Staat dein beendigten Krieg gegen die Empörer noch einen Justiz-
akt anhängt, den man Standrecht nennt . Jene hohle Phrase: das
Standrecht sei das bewaffnete Gesetz, ist empörend .. das Standrecht
verletzt die Heiligkeit des Gesetzes und vernichtet die Achtung vor der
Justiz, weil man sieht, daß sie den Parteizwecken dienen und die Maske
leihen muß, damit der Schein rechtlicher Form gewahrt werde“). — MITTER-
MAIER betont S. 65, daß er auf Grund eines an Erfahrungen reichen Lebens
spreche (er war damals 62 Jahre alt); man darf also wohl annehmen, daß
er sehr begründeten Anlaß für seine Klagen hatte. Darauf, daß M. nicht
ganz unrecht gehabt haben kann, deutet die Notiz der „Nationalzeitung‘“
vom 16. Nov. 1848: „Der Grund, weshalb General Wrangel das Kriegsge-
richt will, ist einfach dieser: weil die Zivilgerichte erklärt haben, daß sie
den Belagerungszustand für ungesetzlich halten“. Daran schließt sich die
Bemerkung: „die Frage, um die es sich jetzt handelt, ist einfach die:
Wird General W. einen Auditeur finden, der den Mut hat, an einem solchen
Kriegsgericht teilzunehmen und somit die Justiz und das Gesetz an die
Bajonnette und die rohe Gewalt zu verraten ?“ Weiter gehört hierher die
Anspielung des Abg. v. AMmMon in der Preuß. 1. K. 1850/51 (St. B. 1 201)
auf Fälle, in denen die Militärgerichte auf Befehl die Todesstrafe er-
kannten. Es handelt sich hier eben um menschliches, nur allzumensch-
liches; siegt die Revolution, so macht sie es nicht anders. Wie leicht sich
die Begriffe verwirren können, wenn erst einmal das Gesetz ausgeschaltet