Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

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Gerechtfertigt wird diese Strenge damit, daß „der, welcher sich 
mit Waffen gegen die öffentliche Gewalt auflehnt, sich von selbst 
gebrachten Aufruhr als Vorwand benutzen . Uebertriebene Aengstlich- 
keit, die überall drohende Gespenster der Anarchie sieht, kann selbst die 
nicht böswillige Partei veranlassen, durch Ausnahmsmaßregeln die angeb- 
liche Empörung zu unterdrücken. Wer die neueren Gesetzgebungen kennt, 
weiß, welcher unbestimmte Ausdruck Aufruhr ist, auf welchen schmalen 
Grenzen Widersetzung und Aufruhr liegen, und wie leicht der unter unbe- 
denklichen, rasch vorübergehenden Umständen vorkommende Widerstand 
erst durch voreilige reizende Maßregeln von Seiten der Obrigkeit in Auf- 
ruhr übergeht, wo es aber nur einer energischen Anwendung bewaffneter 
Macht durch Verkündung des Aufruhrgesetzes bedarf, um den Widerstand 
zu überwältigen, und wo nach unterdrücktem Aufruhr die fast regelmäßig 
eintretende Abspannung und Ernüchterung eintritt, in welcher der Herr- 
schaft der ordentlichen Gesetze nichts im Wege steht‘), 63 ff., 69 ff. („Be- 
fugnisse der Verteidigung gehen nicht weiter, als die Abwehr des Angriffs 
es fordert . So wenig der angegriffene Privatmann, wenn er seinen 
Angreifer entwaffnet hat, den vor ihm liegenden unbewaffneten Feind töten 
darf, so wenig darf es der Staat nach abgewehrtem Angriff. Die Handlung 
des einen wie des andern würde nur Rache sein. Der Fehler liegt darin, 
daß der Staat dein beendigten Krieg gegen die Empörer noch einen Justiz- 
akt anhängt, den man Standrecht nennt . Jene hohle Phrase: das 
Standrecht sei das bewaffnete Gesetz, ist empörend .. das Standrecht 
verletzt die Heiligkeit des Gesetzes und vernichtet die Achtung vor der 
Justiz, weil man sieht, daß sie den Parteizwecken dienen und die Maske 
leihen muß, damit der Schein rechtlicher Form gewahrt werde“). — MITTER- 
MAIER betont S. 65, daß er auf Grund eines an Erfahrungen reichen Lebens 
spreche (er war damals 62 Jahre alt); man darf also wohl annehmen, daß 
er sehr begründeten Anlaß für seine Klagen hatte. Darauf, daß M. nicht 
ganz unrecht gehabt haben kann, deutet die Notiz der „Nationalzeitung‘“ 
vom 16. Nov. 1848: „Der Grund, weshalb General Wrangel das Kriegsge- 
richt will, ist einfach dieser: weil die Zivilgerichte erklärt haben, daß sie 
den Belagerungszustand für ungesetzlich halten“. Daran schließt sich die 
Bemerkung: „die Frage, um die es sich jetzt handelt, ist einfach die: 
Wird General W. einen Auditeur finden, der den Mut hat, an einem solchen 
Kriegsgericht teilzunehmen und somit die Justiz und das Gesetz an die 
Bajonnette und die rohe Gewalt zu verraten ?“ Weiter gehört hierher die 
Anspielung des Abg. v. AMmMon in der Preuß. 1. K. 1850/51 (St. B. 1 201) 
auf Fälle, in denen die Militärgerichte auf Befehl die Todesstrafe er- 
kannten. Es handelt sich hier eben um menschliches, nur allzumensch- 
liches; siegt die Revolution, so macht sie es nicht anders. Wie leicht sich 
die Begriffe verwirren können, wenn erst einmal das Gesetz ausgeschaltet
	        
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