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den Bestimmungen des Kriegsrechts unterwerfe*1? — also sich
dem Selbstverteidigungsrecht der die Staatsautorität repräsen-
tierenden oder von ihr verwendeten bewaffneten Macht in der-
selben Weise aussetze, wie während eines Kriegs derjenige, der
sich in die echte kriegerische Aktion gegen den äußeren oder
inneren, mit Waffengewalt auftretenden Feind einmischt. Das so
verstandene Standrecht wird also mit dem „Staatsnotrecht“ ge-
rechtfertigt 1%.
Wie überall, wo von „Staatsnotrecht“ die Rede ist, bedarf
es auch hier einer gewissen Vorsicht. Ein solches kann bereits
ein wirkliches „Recht“ darstellen, so daß also die ın der Formel:
Not kennt kein Gebot liegende Vorstellung, man könne sich ge-
wird, zeigt die Aeußerung eines Staatsanwalts, der lt. Zeitungsbericht am
24. Mai 1916 vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte auf die Bemerkung des
Verteidigers, selbst bei einem Standgericht würde sein Strafantrag Kopf-
schütteln hervorgerufen haben, repliziert haben soll: Es sei von der Ein-
setzung von Standgerichten abgesehen worden, weil man das Zutrauen zu
den Zivilgerichten hätte, daß sie voll ihre Schuldigkeit tun, und solche
Gesetzesübertretungen in unserer jetzigen schweren Zeit nicht mit Bagatell-
strafen ahnden würden. Dabei sind die a. o. Kriegsgerichte für Ueber-
tretungen der Höchstpreisbestimmungen (worum es sich handelte) gar nicht
zuständig — weshalb aber doch der Gedanke, ausgeschaltet werden zu
können, die Zivilgerichte anspornen soll, „ihre Schuldigkeit zu tun“, d. h.
keine Bagatellstrafen zu erkennen. Ganz ähnlich liegt der Fall eines Fe-
stungskommandanten, der ein Begnadigungsrecht gegenüber den von den
außerordentlichen Kriegsgerichten verurteilten Zivilpersonen in Anspruch
nahm.
18 MITTERMAIER a. a. OÖ. 65 unter Berufung auf die Motive zum badi-
schen Standrechtsgesetz von 1848 (vgl. unten N. 50).
14 Mit diesem arbeiten auch MITTERMAIER und KLEINSCHROD a. a. O.;
ein Aufsatz in der „Nationalzeitung“ vom 3. Dez. 1848 (identisch mit dem
Leitartikel der „Königsberger Hartungschen Zeitung“ vom 24. Nov. 1848)
arbeitet — vorbehaltlich besonderer Bestimmungen für Einzelfälle — mit
echter „Notwehr, d. h. es muß der überzeugende Nachweis geführt werden,
daß an sich eine allgemeinere und dringende Gefahr vorhanden und kein ge-
setzliches, milderes:und schonenderes Mittel zur Herstellung des widerrecht-
lich gestörten öffentlichen Zustands aufzufinden gewesen sei (ALR. 88 517—
524 II 20)“. Vgl. auch unten bei N. 32, sowie N. 80 a und 158.