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greift das Militär von selbst ein, vorbehaltlich weiterer Maß-
nahmen; daneben steht die einfache Suspension einzelner Ver-
fassungsbestimmungen, die der Regierung größere Bewegungsfrei-
heit gibt, also auch hinsichtlich des Eingreifens des Militärs;
den dritten Zustand bezeichnet die Verschärfung des regelmäßigen
Strafgesetzes, indem sonst garnicht oder leichter bedrohte Dinge mit
schwerer Strafe bedroht werden; eine weitere Steigerung bedeutet
die Ausschaltung der Zivilgeriehte; und schließlich begegnet uns
das alte Standrecht in seiner ursprünglichen Gestalt, wenn auch
vielleicht unter einem neuen Namen. Den inneren Zusammenhang
jener Gesetze vermittelt der überall wiederkehrende Grundgedanke,
daß mit der nur zu oft vorgekommenen alten Willkür aufgeräumt
werden soll. Die Schrankenlosigkeit der der Verwaltung als Selbst-
zweck dienenden Polizei soll auch in Ausnahmezeiten ein Ende haben.
Der Gedanke der Begrenzung der Staatszwecke, der bereits im
ALR. zu jenem eigentümlichen Polizeibegriff geführt hatte, wurde
systematisch in jener Zeit befolgt. Die in Preußen bereits 1846
durchgeführte Uebertragung der Polizeigerichtsbarkeit auf die
ordentlichen Gerichte begegnet uns unter dem Einfluß der deut-
schen Grundrechte seit 1848 auch in Süddeutschland; umgekehrt
ist die Einwirkung des süddeutschen Polizeistrafrechtssystems in
Norddeutschland, mindestens im Preuß. StrGB. von 1855 und ım
Allg. Berggesetz von 1865 unverkennbar. Besonders charakteristisch
ist die Erscheinung, daß jenen Ausnahmegesetzen von 1848—1851
überall Bestrebungen parallel laufen, die aus der Ursache des
Ausnahmezustands entstehenden Schäden auf die Gemeinde ab-
zuwälzen, d.h. man greift auf den alten Gedanken der Genossen-
schaft zurück, der bereits dem Polizeibegriff des ALR II 17 $ 10
seine charakteristische Note gegeben hatte: der Unschuldige muß
im Interesse der Gesamtheit leiden. Und so ist denn auch jenen
Ausnahmegesetzen selbst dieser Gedanke immanent:: die Militärge-
walt soll gegebenenfalls, aber auch sie nur als Stück des Ganzen
und im Gesamtinteresse, eingreifen dürfen; und zwar nicht weiter,