Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 36 (36)

— 426 — 
Dabei schlug man eine zweite Fliege mit derselben 
Klappe: Die polizeiliche Ungehorsamstrafe bildete auch in Baden 
schon seit Jahrzehnten den Gegenstand schwerer politischer 
Kämpfe®. Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1845 hatte nur 
eine Scheidung zwischen polizeilichem und gerichtlichem Straf- 
verfahren gebracht. Zu den Forderungen des Jahres 1848 ge- 
hörte aber die Uebertragung der Polizeigerichtsbarkeit auf den 
ordentlichen Strafrichter €, Der innere Zusammenhang der beiden 
hier in Frage stehenden rechtsstaatlichen Postulate (nulla poena 
sine judicio, nullum judieium sine lege) erklärt es, daß in jenen 
Kämpfen das polizeiliche Anordnungsrecht gegenüber der Straf- 
gewalt und der Strafverfügung ganz zurücktrat. Unter dem Ein- 
druck der Vorgänge von 1848 gab nun die Regierung ihren 
Widerstand gegen die Beseitigung der Polizeigerichtsbarkeit zu- 
nächst auf®!, wenn es auch in der Folge vorerst zu dieser Be- 
seitigung nicht gekommen ist. Aber diese rechtsstaatliche 
Reaktion®? erklärt uns ohne weiteres die eigentümliche Fassung 
lich den Richter entscheiden lassen könne, der den Verhafteten vielleicht 
gleich oder nach kurzer Strafe entlasse. Deshalb habe man absichtlich 
gesagt, er werde „zum Kriegsgefangenen erklärt“; die Militärbehörde, die 
die öffentliche Ruhe und Ordnung wiederherstellt, muß das Verfügungs- 
recht über den Arrestanten haben ($ 4), und weiß angesichts des gewählten 
Ausdrucks, daß sie ihn nach Kriegsmanier zu behandeln hat. 
5 Vgl. oben N. 54 und TaomA 193. 
6° Vgl. oben I a. E. und $ 49 der deutschen Grundrechte. 
eı THOMA 209. 
6 In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, daß die so 
ziemlich den Hauptgegenstand bei der Beratung des KZG. bildende Sicher- 
heitsverhaftung (vgl. Prot. 2. K. 1848/49, S. 125—130) nicht mehr willkür” 
lich, sondern nur noch auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung, eines 
gesetzlichen Vorbehalts in ganz bestimmten Fällen erfolgen darf, so daß 
der Komm.-Ber. der 1. K:. 1850 sehr anschaulich sagen konnte: „$ 3 recht- 
fertigt für manche Fälle den Sicherheitsverhaft“. Auch bestand darüber 
volle Einigkeit, daß der „Kriegsgefangene“ unter dem Schutz des Gesetzes 
stehe. Davon, daß er völlig rechtlos sein sollte, daß man ihn in der schnö- 
desten Weise behandeln dürfe, war absolut keine Rede; im Gegenteil. In 
der Bezeichnung als „Kriegsgefangener* sollte liegen, daß custodia honesta
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.