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Dabei schlug man eine zweite Fliege mit derselben
Klappe: Die polizeiliche Ungehorsamstrafe bildete auch in Baden
schon seit Jahrzehnten den Gegenstand schwerer politischer
Kämpfe®. Das Gerichtsverfassungsgesetz von 1845 hatte nur
eine Scheidung zwischen polizeilichem und gerichtlichem Straf-
verfahren gebracht. Zu den Forderungen des Jahres 1848 ge-
hörte aber die Uebertragung der Polizeigerichtsbarkeit auf den
ordentlichen Strafrichter €, Der innere Zusammenhang der beiden
hier in Frage stehenden rechtsstaatlichen Postulate (nulla poena
sine judicio, nullum judieium sine lege) erklärt es, daß in jenen
Kämpfen das polizeiliche Anordnungsrecht gegenüber der Straf-
gewalt und der Strafverfügung ganz zurücktrat. Unter dem Ein-
druck der Vorgänge von 1848 gab nun die Regierung ihren
Widerstand gegen die Beseitigung der Polizeigerichtsbarkeit zu-
nächst auf®!, wenn es auch in der Folge vorerst zu dieser Be-
seitigung nicht gekommen ist. Aber diese rechtsstaatliche
Reaktion®? erklärt uns ohne weiteres die eigentümliche Fassung
lich den Richter entscheiden lassen könne, der den Verhafteten vielleicht
gleich oder nach kurzer Strafe entlasse. Deshalb habe man absichtlich
gesagt, er werde „zum Kriegsgefangenen erklärt“; die Militärbehörde, die
die öffentliche Ruhe und Ordnung wiederherstellt, muß das Verfügungs-
recht über den Arrestanten haben ($ 4), und weiß angesichts des gewählten
Ausdrucks, daß sie ihn nach Kriegsmanier zu behandeln hat.
5 Vgl. oben N. 54 und TaomA 193.
6° Vgl. oben I a. E. und $ 49 der deutschen Grundrechte.
eı THOMA 209.
6 In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, daß die so
ziemlich den Hauptgegenstand bei der Beratung des KZG. bildende Sicher-
heitsverhaftung (vgl. Prot. 2. K. 1848/49, S. 125—130) nicht mehr willkür”
lich, sondern nur noch auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung, eines
gesetzlichen Vorbehalts in ganz bestimmten Fällen erfolgen darf, so daß
der Komm.-Ber. der 1. K:. 1850 sehr anschaulich sagen konnte: „$ 3 recht-
fertigt für manche Fälle den Sicherheitsverhaft“. Auch bestand darüber
volle Einigkeit, daß der „Kriegsgefangene“ unter dem Schutz des Gesetzes
stehe. Davon, daß er völlig rechtlos sein sollte, daß man ihn in der schnö-
desten Weise behandeln dürfe, war absolut keine Rede; im Gegenteil. In
der Bezeichnung als „Kriegsgefangener* sollte liegen, daß custodia honesta