— 436 —
gesetzlichen Richter gestellt werden darf. Ausnahmegerichte sind
unstatthaft“; $ 8 sieht als äußerste Möglichkeit für den Fall des
Kriegs oder Aufruhrs die zeit- und distriktsweise Suspension der
in & 1 verbürgten persönlichen Freiheit und der in $ 6 verbürgten
Unverletzlichkeit der Wohnung durch Beschluß des Staatsmini-
steriums vor. Weder das Preßgesetz vom 17. März, noch die V.
vom 6. April 1848 enthalten weitergehende Bestimmungen. Aber
nur „provisorisch“ kann diese Maßnahme ausgesprochen werden,
wenn die Volksvertretung nicht versammelt ist, und nur unter Ver-
antwortlichkeit des Ministeriums. Die Volksvertretung ist alsdann
sofort zusammenzuberufen.
Offensichtlich hat hier die französische Regelung, die für die
Verhängung des bürgerlichen Ausnahmezustands ein Gesetz ver-
langt, vorbildlich gewirkt. Die letzte Entscheidung soll bei der
Volksvertretung liegen. Die Anordnung des Staatsministeriums —
militärische Stellen kommen überhaupt nicht in Betracht — ist
nur provisorisch und muß sofort zur Entscheidung der Volksver-
tretung verstellt werden; billigt sie diese nicht, so wird man an-
nehmen dürfen, daß die provisorische Maßregel sofort außer Kraft
tritt, gleichzeitig aber auch der Fall der Ministerverantwortlich-
keit gegeben ist.
Materiell ist also der Möglichkeit einer Willkür stark vorge-
baut; besonders bezeichnend ist hier $ 9 der Habeas-Corpus-Akte,
daß zur gerichtlichen Belangung „öffentlicher Zivil- und Militär-
beamten wegen der durch Ueberschreitung ihrer Amtsbefugnisse
verübten Verletzungen vorstehender Bestimmungen“ keine vor-
gängige Genehmigung der Behörden erforderlich sein soll. Formell
allerdings sah es etwas anders aus. Das Gesetz geht davon aus,
daß eine „Volksvertretung“ vorhanden ist, der die letzte Entschei-
dung obliegt, hat also die Vollendung des Verfassungswerks, durch-
geführte Gewaltenteilung und das Vorhandensein einer von Krone
und Volksvertretung gemeinschaftlich innegehabten gesetzgebenden
Gewalt zur Voraussetzung. Hieran aber fehlte es vorerst. Zu-