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Zusammenhang. Die politische Bedeutung aber der geplanten
Reform geht über Preußens besondere Interessensphäre hinaus und
berührt das Reichsinteresse sehr nahe. Da nach der Reichsver-
fassung Preußen der „führende Staat“ im Bunde ist und diese
Führung namentlich im Bundesrat und in der Kaiserlichen Re-
gierung des Reichs ihren Ausdruck findet, so ist es für das Reich
nicht gleichgültig, wie beschaffen die Grundlagen dieses Staates
sind, welcher Art insbesondere der Einfluß ist, den der preußische
Landtag auf die Haltung der preußischen Regierung in Preußen
selbst und im Reiche zu gewinnen vermag.
Prüfung und Würdigung dieses Einflusses sind in erster Linie
Sache einer wissenschaftlichen Prognose, d. h. einer rein sach-
lichen, von allen besonderen Parteivorstellungen freien Ergrün-
dung. Der Anstoß dazu ist gegeben. Es wird sich nicht auf-
halten lassen, daß ihm seine notwendigen Wirkungen folgen.
Nun mag es auf den ersten, oberflächlichen Blick wohl be-
fremden, daß durch die preußische Landtagsreform gerade die
Öberhausfrage des Reichs aus ihrem Schlummer geweckt werde.
Allein schon ein etwas tieferes Eindringen in das Problem
unserer komplizierten Reichskonstruktion vermag darüber aufzu-
klären.
Wir kennen zwar die inneren Abhängigkeiten, welche zwischen
den Organen des Reichs und denjenigen der Staaten im Reich be-
stehen, aber nicht immer werden sie vollkommen und richtig ge-
würdigt. Einfach und klar liegen solche Beziehungen bei Bundes-
rat und Kaiser. Der Bundesrat ist das Organ der verbündeten
Regierungen im Reich. In ihm beraten und beschließen durch
das mechanische Mittel ihrer Bevollmächtigten und instruierten
Vertreter die Häupter der Staaten. Der Kaiser aber ist der
Person nach identisch mit dem König von Preußen. Er vertritt
zwar in Reichsangelegenheiten nicht den Willen und das Inter-
esse des preußischen Staates, sondern er bringt hier seinen Willen
als Reichswillen in einer Interessensphäre zum Ausdruck, in der