Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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Last zu schaffen. Das Streben nach möglichster Einfachheit der 
auf alle Fälle höchst komplizierten Maschinerie mußte dem Schöpfer 
der Reichsverfassung so sehr im Vordergrund stehen, daß er selbst 
einem konservativen Lieblingsgedanken, wie es dem Herrn v. BIs- 
MARCK ein Oberhaus an sich wohl sein mochte, entsagen zu müs- 
sen glaubte. Der Oberhausgedanke kam bei ihm zu Fall, nicht 
weil BISMARCK den zweihäusigen Reichstag für einen schlechteren 
hielt als einen einhäusigen, sondern trotzdem ihm der zweihäusige 
als der grundsätzlich bessere erschien und nur wegen der damals 
wohl begründeten Sorge vor der Umständlichkeit des Verfahrens. 
BISMARCK war ganz gewiß weit entfernt davon, eine auf allge- 
meiner und direkter Wahl beruhende Versammlung für die beste 
Parlamentsform zu halten, ließ er sich doch die Gleichheit dieses 
Wahlrechtes nicht völlig und die Geheimheit und die Allgemein- 
heit auch für die Wählbarkeit der Beamten nur schwer, die Diäten 
aber überhaupt nicht abringen und erklärte er sich doch stets 
bereit, jeden Vorschlag eines „besseren Wahlrechtes“ ernstlich zu 
prüfen. BISMARCK schob wohl mit dem allgemeinen und direkten 
Wahlrecht ganz bewußt eine demokratische Tour in seiner politi- 
schen Tanzkarte ein, aber er tat es durchaus nicht im Glauben 
an die innere Unübertrefflichkeit dieser Einrichtung. Das allge- 
meine und direkte Wahlrecht schien ihm eine Notwendigkeit nur 
in Ermangelung eines Besseren, weiter nichts, und der einhäusige 
Reichstag erschien ihm technisch als das Einfachste und geschäft- 
lich als das vorerst Unvermeidliche, weiter nichts. 
Aber lösen wir uns nun von BISMARCKs besonderer Auffas- 
sungsweise, prüfen wir mit geschichtliebem Blick und mit einem 
durch neuere Erfahrung bestärkten Urteil, so werden wir den 
Standpunkt BISMARCKs für damals zwar begreifen und billigen, 
für heute aber korrigieren müssen. 
Ueberblicken wir von höchster Warte di Entwickelung des 
Wahlrechtes, der Bewegungen und @Gegenbewegungen in der 
Wahlrechtspolitik und aller in den letzten Jahrzehnten in Deutsch-
	        
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