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Last zu schaffen. Das Streben nach möglichster Einfachheit der
auf alle Fälle höchst komplizierten Maschinerie mußte dem Schöpfer
der Reichsverfassung so sehr im Vordergrund stehen, daß er selbst
einem konservativen Lieblingsgedanken, wie es dem Herrn v. BIs-
MARCK ein Oberhaus an sich wohl sein mochte, entsagen zu müs-
sen glaubte. Der Oberhausgedanke kam bei ihm zu Fall, nicht
weil BISMARCK den zweihäusigen Reichstag für einen schlechteren
hielt als einen einhäusigen, sondern trotzdem ihm der zweihäusige
als der grundsätzlich bessere erschien und nur wegen der damals
wohl begründeten Sorge vor der Umständlichkeit des Verfahrens.
BISMARCK war ganz gewiß weit entfernt davon, eine auf allge-
meiner und direkter Wahl beruhende Versammlung für die beste
Parlamentsform zu halten, ließ er sich doch die Gleichheit dieses
Wahlrechtes nicht völlig und die Geheimheit und die Allgemein-
heit auch für die Wählbarkeit der Beamten nur schwer, die Diäten
aber überhaupt nicht abringen und erklärte er sich doch stets
bereit, jeden Vorschlag eines „besseren Wahlrechtes“ ernstlich zu
prüfen. BISMARCK schob wohl mit dem allgemeinen und direkten
Wahlrecht ganz bewußt eine demokratische Tour in seiner politi-
schen Tanzkarte ein, aber er tat es durchaus nicht im Glauben
an die innere Unübertrefflichkeit dieser Einrichtung. Das allge-
meine und direkte Wahlrecht schien ihm eine Notwendigkeit nur
in Ermangelung eines Besseren, weiter nichts, und der einhäusige
Reichstag erschien ihm technisch als das Einfachste und geschäft-
lich als das vorerst Unvermeidliche, weiter nichts.
Aber lösen wir uns nun von BISMARCKs besonderer Auffas-
sungsweise, prüfen wir mit geschichtliebem Blick und mit einem
durch neuere Erfahrung bestärkten Urteil, so werden wir den
Standpunkt BISMARCKs für damals zwar begreifen und billigen,
für heute aber korrigieren müssen.
Ueberblicken wir von höchster Warte di Entwickelung des
Wahlrechtes, der Bewegungen und @Gegenbewegungen in der
Wahlrechtspolitik und aller in den letzten Jahrzehnten in Deutsch-