Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

Aufsätze. 
Völkerrecht und Völkermoral. 
Von 
OTTO MAYER. 
  
„Zum juristischen Schriftsteller, hat LABAND einmal geäußert, 
gehört zweierlei: gutes Gedächtnis und strenge Logik.“ Er selbst 
sah sich ja nach beiden Richtungen hin trefflich ausgestattet, 
und vielleicht ist er gerade deshalb nie in Versuchung geraten, 
ein „Völkerrecht“ zu schreiben. Bei dieser Wissenschaft handelt 
es sich wohl eher darum, zunächst einmal gar mancherlei Unnützes 
zu vergessen, und mit einfachem folgerichtigem Denken allein scheint 
man hier nicht auszukommen. 
Eine rechtliche Ordnung soll es sein für die Beziehungen 
selbständiger Staaten unter einander, ein jus inter gentes, als 
ein ihnen gemeinsames, eigentümliches Recht, jus gentium!. 
Vorausgesetzt ist also, daß die gentes die Form von Staaten 
angenommen haben und auf dem Boden rechtlicher Gleichwertig- 
keit — andernfalls diktiert der Höherstehende das Gesetz — in zu 
i Man hat es gern als eine Art Fortschritt ansehen wollen, daß Zov- 
cHAHuS 1651 sein Buch jus feciale sive inter gentes nennt. Aber auch 
Hueo Grorivs bezeichnet das jus gentium, das er meint, zugleich als jura 
inter eivitates und jus inter populos (J. B. P. Proleg. c. 17). 
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXVIII 1. 1
	        
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