Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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IV. 
Um die Stellung und Aufgabe eines deutschen Oberhauses 
richtig zu fassen, bedarf es erst einer allgemeinen Neuschöpfung 
des Reichstages im Ganzen. 
Es gilt hier, einen Gegensatz der Auffassungen zu überwin- 
den, der seit Reichsbeginn und vorher schon bestand, seither sich 
mehr und mehr vertieft hat und gegenwärtig die Schärfe einer 
inneren Verfassungskrise angenommen hat. 
Der Gegensatz ist durch das uralte Doppelsein von Fürst und 
Volk, von Monarchie und Demokratie nur ganz im allgemeinen 
charakterisiert. 
Die deutsche Monarchie, welche sich im Reich, in Bundesrat 
und Kaisertum ihre Sitze geschaffen hat und welche in der Büro- 
kratie und in dem führenden Teil des Heeres ihre stärksten Stützen 
und Hilfskräfte findet, will aus volksfremder Ferne das Reichs- 
regiment allein behaupten und führen. 
Das deutsche Volk in seiner großen Mehrheit und vor allem 
in seinen politisch triebstärksten Schiehten will nichts mehr wis- 
sen von den alten überlebten Formen der feudalen Monarchie und 
steht auch der neuen konstitutionellen Monarchie mit ihrem Be- 
amtentum und Heer nicht mehr mit der alten gehorsambereiten 
Geduld gegenüber. Es will nicht mehr von dem Fürstenbund und 
Beamtenstab und es will auch nicht mehr von dem Kaiser und 
seinem Kanzler allein nach der absolutistischen Formel sic volo 
sie jubeo regiert sein. 
Alles blickt in dieser Gärung der Willensströmungen auf 
den Reichstag, dem die Rolle der Vermittelung vom Volkswillen 
und Herrscherwillen zugedacht ist. Die Frage ist nicht etwa so 
gestellt: Soll künftig statt Kaiser, Bundesrat und Kanzler der 
Reichstag die Herrschaft im Reiche haben, sondern so: soll künf- 
tig der tatsächliche Anteil des Reichstags am Reichsregiment 
derselbe bleiben wie bisher oder soll er ein höherer und stärkerer 
werden?
	        
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