den. Die Lebenslänglichkeit gibt jeder Versammlung auf die Dauer
das Merkmal der Unfähigkeit.
R. v. MoHL hat in seiner Abhandlung „Das Repräsentativ-
system, seine Mängel und Heilmittel“! ähnliche Vorschläge ge-
macht. Aber seine Vorschläge passen nach drei Richtungen nicht
in unsere Zeit und zu unserem Gegenstand. Er will nur ein ein-
ziges Haus und verwirft somit den Oberhausgedanken grundsätz-
lich, steht also auf dem Standpunkt der Korrektur des Wahl-
rechtes und beseitigt völlig das königliche Ernennungsrecht. Er
sondert ferner die Gegenstände der Verhandlung nach solchen von
allgemeinem und solchen von besonderem gesellschaftlichem In-
teresse. Er gliedert darnach die Versammlung in einen Gesamt-
verband und mehrere Sonderverbände. Eine besondere Kommis-
sion soll zudem aus den Sonderverbänden gebildet werden, um im
Zweifel zu entscheiden, was dem Gesamtverband und was den
Sonderverbänden zur Verhandlung gebühre. Dieses von MoHL
mehr lebhaft als geschickt empfohlene Programm hat keine
Freunde gefunden und ist für uns praktisch unbrauchbar. Wert-
voll sind jedoch seine Grundgedanken, die im wesentlichen ebenso
wie hier geschieht, auf ein Schutzbedürfnis der wiehtigen dauern-
den Minderheitsinteressen hinweisen.
In der neueren Literatur ist fast durchweg nur die Wahl-
reform der Mittelpunkt der Betrachtung, der Oberhausgedanke
aber scheint durch die Autorität BISMARCKs ohne genügende
Kenntnis und Würdigung seiner Gründe als abgetan zu gelten, wie
ich glaube sehr mit Unrecht. —
Kehren wir nun nach diesem Entwurf einer Oberhauskon-
struktion zurück zu der gestellten Frage: „Wäre ein Reichstag
mit Ober- und Unterhaus ein schlechterer oder etwa ein besserer
Reichstag als der Reichstag, wie er jetzt als einheitliche gewählte
Versammlung besteht?“
ı Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, 1860, Bd. I S. 405 ff.
Archiv des öffentlichen Rechte. XXX VIII. 1. 10