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nicht mehr die Bedeutung von ehemals zuerkennen.
Das mag ja richtig sein,, der Bundesrat erhält einen schwie-
zigeren Partner, er wird seine Vorlagen und .deren Begründung
auf härteren Widerstand einrichten müssen. Mit dem Wegblasen
eines ganzen Parlamentes durch beliebige Auflösungen ist es als-
dann vorbei. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir bekennen,
daß die Hauptbedeutung des Bundesrates, nämlich die, ein Organ
der politischen Führung zu sein, im Laufe der Jahrzehnte immer
mehr hinter der politischen Führung der kaiserlichen Regierung
zurückgetreten ist. Die eigentliche Initiative und positive Ar-
beitskraft ist bei der kaiserlichen Regierung und neben ihr mehr
noch im Reichstag als im Bundesrat gewesen, der Bundesrat
wurde mehr und mehr der Hüter der partikularen Staatsexisten-
zen und der Verteidiger jener „Bedürfnisgrenze“, über welche
hinaus das Reich nach BISMARCKs Programm nicht unitarisch
werden sollte.
Diese Hauptaufgabe wird dem Bundesrat immer bleiben und
sie wird ihm durch ein Reichsoberhaus eher erleichtert als er-
schwert werden. Dem Bundesrat könnten formell alle Zustän-
digkeiten belassen bleiben, die ihm die Reichsverfassung zuweist.
Einige Zeit der Praxis mit dem zweihäusigen Reichstag würde
genügen, um zu erweisen, daß der Bundesrat auch materiell durch
die Neuerung nichts verlöre.
Ein etwas ruhigeres Tempo im Gang der Gesetzgebung würde
dem Reich nicht zum Schaden gereichen. Für die Beratungen
des Etats würde sich ein Verfahren finden lassen, welches Ver-
schleppung im Reichstag hintanzuhalten verspräche.
Der Reichskanzler freilich als einziger Minister des Kaisers
wird in dieser Gestalt auf die Dauer nieht erhalten bleiben kön-
nen. Er wird sich in Zukunft ein verantwortliches Ministerium
gefallen lassen müssen, in dem er sich mit dem Vorsitz zu be-
genügen haben wird und durch dessen nahe geschäftliche Be-
ziehungen zu den politischen Gruppen der beiden Häuser des
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