Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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nicht mehr die Bedeutung von ehemals zuerkennen. 
Das mag ja richtig sein,, der Bundesrat erhält einen schwie- 
zigeren Partner, er wird seine Vorlagen und .deren Begründung 
auf härteren Widerstand einrichten müssen. Mit dem Wegblasen 
eines ganzen Parlamentes durch beliebige Auflösungen ist es als- 
dann vorbei. Aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir bekennen, 
daß die Hauptbedeutung des Bundesrates, nämlich die, ein Organ 
der politischen Führung zu sein, im Laufe der Jahrzehnte immer 
mehr hinter der politischen Führung der kaiserlichen Regierung 
zurückgetreten ist. Die eigentliche Initiative und positive Ar- 
beitskraft ist bei der kaiserlichen Regierung und neben ihr mehr 
noch im Reichstag als im Bundesrat gewesen, der Bundesrat 
wurde mehr und mehr der Hüter der partikularen Staatsexisten- 
zen und der Verteidiger jener „Bedürfnisgrenze“, über welche 
hinaus das Reich nach BISMARCKs Programm nicht unitarisch 
werden sollte. 
Diese Hauptaufgabe wird dem Bundesrat immer bleiben und 
sie wird ihm durch ein Reichsoberhaus eher erleichtert als er- 
schwert werden. Dem Bundesrat könnten formell alle Zustän- 
digkeiten belassen bleiben, die ihm die Reichsverfassung zuweist. 
Einige Zeit der Praxis mit dem zweihäusigen Reichstag würde 
genügen, um zu erweisen, daß der Bundesrat auch materiell durch 
die Neuerung nichts verlöre. 
Ein etwas ruhigeres Tempo im Gang der Gesetzgebung würde 
dem Reich nicht zum Schaden gereichen. Für die Beratungen 
des Etats würde sich ein Verfahren finden lassen, welches Ver- 
schleppung im Reichstag hintanzuhalten verspräche. 
Der Reichskanzler freilich als einziger Minister des Kaisers 
wird in dieser Gestalt auf die Dauer nieht erhalten bleiben kön- 
nen. Er wird sich in Zukunft ein verantwortliches Ministerium 
gefallen lassen müssen, in dem er sich mit dem Vorsitz zu be- 
genügen haben wird und durch dessen nahe geschäftliche Be- 
ziehungen zu den politischen Gruppen der beiden Häuser des 
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