Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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wäre gelöst und die Geschichte der fast 50 Jahre reichsländischen 
Eigenlebens wäre als eine Zeit des Uebergangs erledigt. Die Ein- 
verleibungsstaaten hätten nach Ablauf des Verdauungsprozesses 
sich ihres Macht- und Pflichtzuwachses zu erfreuen und für ihre 
Mühen allenfalls noch eine Forderung an das Reich auf ent- 
sprechenden Stimmenzuwachs im Bundesrat und Stellenzuwachs 
im Reichstag .zu liquidieren. Das Ganze nähme sich aus wie eine 
nachträgliche Verteilung der Beute von 1871. 
Die Einverleibungs- und Aufteilungsprojekte haben indes 
bisher keine große Anhängerschaft gefunden, am wenigsten in 
den Reichslanden selbst. Es haftet ihnen der Makel des Anne- 
xionismus an, sie entsprechen nicht dem Grundplan des Reiches, 
wonach Staaten und Stämme in dem durch die Zuständigkeits- 
grenze des Reichs gegebenen Rahmen erhalten und in ihrer Eigen- 
art bewahrt bleiben sollen, sie lassen sich auch nicht nach irgend 
einem Maßstab von Gerechtigkeit durchführen. Einer Aufteilung 
unter die 25 Staaten stehen die erheblichsten praktischen Be- 
denken entgegen, ein Ausschluß aber der Mehrzahl der Staaten 
von der Verteilung läßt sich mit durchschlagenden Gründen nicht 
rechtfertigen. 
Es bleiben darnach nur die Belassung des bisherigen Zu- 
standes und die Umwandlung in einen Staat nach Art der 25 
Bundesstaaten des Reiches zur Wahl. 
Die Belassung des bisherigen Zustandes bleibt natürlich als 
ultima ratio, wenn Besseres sich nicht bietet, immer übrig. 
Außer dem Gesetz der Beharrung sprechen dafür gewichtige 
Stimmen, die um so mehr in die Wagschale fallen, je enger die- 
jenigen, welche sie erheben, mit den reichsländischen Verhält- 
nissen durch Leben, Interessen und Erfahrungen verwachsen sind ‘?. 
2 Vgl. aus neuester Zeit insbesondere W. KarPr, Prof. lie. Straßburg 
„Ist E.-L. als autonomer Bundesstaat denkbar?“ Jul. Springer 1918, der 
sich zwar als besonderer Kenner der Sinnesart des Volkes der Elsässer 
und Lothringer legitimiert, den Staatswillen des Volkes aber doch zu unter- 
schätzen scheint.
	        
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