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ihm die gewünschte Autonomie und Gleichstellung zu geben.
Richtig mag ja sein, daß das Volk der Reichslande keinen
historisch geschlossenen, unvermischten Stamm darstellt. Bedenkt
man aber, wie es sich damit in andren deutschen Staaten, vor
allem in Preußen und Bayern verhält, so kann dieser Umstand
sicher nicht entscheidend sein.
Die lange Dauer einer 46 jährigen einheitlichen Verwaltung
in der Reichsland-Periode hilft über solche Bedenken hinweg ;
denn sie hat mit der Tatsache politisch geschlossenen Zusammen-
lebens in diesem kleinen Volke trotz aller Stammesmischung das
Einheitsbewußtsein hinreichend gestärkt, um dieses Bewußtsein
zum einheitlichen Staatswillen heranreifen zu lassen.
Sollte etwa das militärische Bedenken bestehen, daß Elsaß-
Lothringen als vom Feinde begehrtes Grenzland auch in Zukunft
einer stärkeren Wehr bedürfe, als es in der Gestalt eines selbstän-
digen Staates sein könnte, so hinderte nichts, alle nötigen Vorkeh-
rungen an Befestigungen, Garnisonen usw. auch im Staate Elsaß-
Lothringen von Reichswegen zu treffen. Die Rechte, welche die
Reichsverfassung dem Kaiser in bezug auf Festungen und Truppen-
dislokationen gibt, reichen auch gegenüber dem Staate Elsaß-
Lothringen aus.
Der erheblichste Einwand, der gegen die Gewährung der Au-
tonomie und Gleichstellung erhoben worden ist, ist der staats-
rechtliche, wonach unser Reichsstaatsrecht keinen Weg kennt, um
im Schoße des Reiches neue Bundesstaaten zu schaffen. Der Ein-
wand bedarf der genauen Prüfung und darf nicht leicht genom-
men werden. Es ist richtig, daß das Deutsche Reich bisher nur
aus den Staaten besteht, die bei seiner Gründung und vorher bei
der Gründung des norddeutschen Bundes durch Verträge zusam-
mengetreten sind, um den Bund zu schließen und ihm eine Ver-
fassung zu geben. Es ist ferner richtig, daß die Reichsverfassung
die Gründung neuer Staaten so wenig vorsieht wie die Beseiti-
gung, Ausschließung oder Vereinigung bestehender Staaten. Es