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wäre aber unrichtig, hieraus auf die rechtliche Unmöglichkeit sol-
cher Bestandesveränderungen zu schließen. Zunächst steht der Auf-
nahme neuer Mitglieder in das Reich weder ein völkerrechtliches
noch ein staatsrechtliches Hindernis im Wege. Nur die Ansichten
über den Weg der Aufnahme neuer Mitglieder sind geteilt. Wäh-
rend die einen annehmen, es genüge der Weg des verfassungs-
ändernden Reichsgesetzes nach Art. 78 Abs. I der Reichsverfas-
sung, wird von anderer Seite mit Rücksicht auf die vertragsmä-
ßige Begründung des Reiches und die Bundesnatur desselben als
gültige Aufnahmeerklärung des Reichs nur ein einstimmiger Be-
schluß der Staaten für genügend angesehen. Ich halte diese An-
sicht für richtig, halte aber, nachdem die Staaten durch die
Reichsverfassung im Bundesrat ein Organ der Willensbildung in
Reichsangelegenheiten besitzen, einen einstimmigen Beschluß des
Bundesrates für genügend, um den Staatenwillen mit Gültigkeit
für das Reich zum Ausdruck zu bringen. Um dann den Reichs-
willen als solehen zur verfassungsmäßig vollgültigen Form zu
bringen, bedürfte es noch der Zustimmung des Reichstages, .also
eines Reichsgesetzes.
Auf diese Weise kann das Reich in seinen staatsrechtlichen
Verband jeden beliebigen fremden Staat, der diese Aufnahme sucht,
aufnehmen.
Die Frage freilich, ob das gleiche auch hinsichtlich eines
Reichslandes, das selbst nicht Staat ist, geschehen könnte, ist damit.
noch nicht erledigt. In diese Frage ist die andre eingeschlossen,
ob das Reich ein Reichsland in einen Staat umwandeln kann. Sie
muß vorher und gesondert beantwortet werden. Mag man das
Reich als Staat oder Bund erklären, die Fähigkeit einen Staat ın
sich durch Rechtsakt zu schaffen, besitzt es nicht. Es wider-
spräche dem Wesen des Staates, wenn er allein durch einen
Reehtsakt irgend eines anderen Gemeinwesens geschaffen werden
sollte. Selbst wenn man den von den meisten zur Konstruktion
der Rechtsnatur des Reiches benützten Bundesstaatsbegriff zugrunde