Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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Dieser nämliche Gesetzgeber hatte die Schriftsteller der Zeit auch aus- 
gestattet mit der erforderlichen Gabe, um seine Gebote aus der 
Natur der menschlichen Beziehungen herauszulesen, mit der Ver- 
nunft, der ratio. Und so schrieb denn fortan jeder bessere Mann 
sein jus naturae et gentium, Natur- und Völkerrecht. Beides 
gehörte zusammen, sofern eben mangels einer ausreichenden 
menschlichen Ordnung dieses für jenes das Hauptbetätigungs- 
feld bot”. 
II. Das Naturrecht ist gefallen. Wir glauben nicht mehr 
daran. Das Völkerrecht fiel nicht mit, sondern galt weiter, weil 
man es nicht entbehren wollte. Die Lehre hatte schon immer 
versucht, dem göttlichen Naturrecht menschlichere Grundlagen zu 
geben; vor allem aber war es üblich, daneben auch Rechtsquellen 
zweiten Ranges anzuerkennen, die mehr denen des gewohnten 
Zivilrechtes entsprachen ®. 
Das wird nun beides weiter ausgebaut. 
Die historische Schule selbst, der man das Verdienst zuschreibt, 
wollte für den Fall, daß man wenigstens an dem göttlichen Ursprung des 
Naturrechts nicht mehr festhalten würde. Zuzutrauen sind ihm solche Ge- 
danken. 
” Die wichtige Rolle, welche die ratio dabei zu spielen hatte, erleich- 
terte nachher der Aufklärungszeit die Verweltlichung des Naturrechts; 
es wurde jetzt mit Vorliebe Vernunftrecht genannt (BERGBOHM, 
Jurisprudenz und Rechtsphilosophie 8. 195 fi). Die alte Wirkungskraft, 
deren Quelle man doch eigentlich verleugnen wollte, behielt man zunächst 
bei. Solche Entwicklungen sind gern etwas unlogisch. 
8 Man unterschied ein jus gentium necessarium und ein jus gentium 
voluntarium seu positivum. Das erstere, das Naturrecht, unterliegt wenigstens 
verschiedenen Begründungen; Beispiele oben Note 6 (HUGO GROTIUS) und 
Note 7. Das letztere wird meist vertreten durch pactum und consue- 
tudo, die wohl auch als stillschweigender Vertrag der Staaten aufgefaßt 
ist. HuUGo GROTIUS kennt ein jus voluntarium divinum (was Gott den 
Israeliten laut Altem Testament befohlen hat, auch kriegsrechtliches: 
J. B.P. Ic. I, 16 und 17). CHRISTIAN v. WOoLFF fügt die Gesetzgebung 
des von ihm behaupteten Oberstaats, der civitas maxima, hinzu (J. GENT. 
Proleg. 8. 22). PUFENDORF, J. N. et G. II c. UI $ 23, will nichts gelten 
lassen als jus gentium voluntarium seu positivum.
	        
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