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recht (Art. 49—51 der Haager Landkriegsordnung) oder der
Beschlagnahme von Privatpersonen gehörigen Kriegsvorräten
(Art. 53 der Ordnung) für Niehtkombattanten unzweifelhaft un-
zulässig, obwohl beide Maßnahmen ebenfalls etwas andere Zwecke
verfolgen als die Requisitionen®, Ist aber die Ausübung des An-
halterechts auch gegenüber feindlichen Handelsschiffen Ausübung
eines „Rechtes“, so ist es logisch undenkbar, daß dem feindlichen
Handelsschiff hiergegen ein Recht zum Widerstand? zukommen
könnte. .
So erweisen sich denn sämtliche Argumente, die zugunsten
des Widerstandsrechts feindlicher Handelsschiffe angeführt worden
sind, als nicht stichhaltig; im Gegenteil, unsere Untersuchung hat
bereits ergeben, daß die Annahme eines solchen Widerstandsrechts
logisch nicht haltbar ist, weil sie in Widerspruch steht mit dem auf
Völkerrecht beruhenden Recht der Kriegsschiffe, feindliche Han-
delsschiffe anzuhalten. Aber wichtiger noch als dieser logische Wi-
derspruch erscheinen die sachlichen Gründe, welche gegen die An-
nahme eines Widerstandsrechts sprechen, sachliche Gründe, die
sich aus den Grundprinzipien des modernen Völkerrechts ergeben.
Zu den größten und wichtigsten Errungenschaften des modernen
Völkerkriegsrechts gehört der Grundsatz, daß auch im Kriege die
friedliche Bevölkerung des Feindes, d.h. der nicht zu der organisierten
Streitmacht des Feindes gehörende Teil der feindlichen Bevölke-
rung geschont werden muß °®. Selbstverständliches Korrelat die-
38 OPPENHEIMs Ansicht ist in zutreffender Weise auch von TRIEPFEL
S. 401 f. mit etwas anderen Argumenten bekämpft worden.
2% Wenigstens zu aktivem Widerstand; eine andere Frage ist es, ob
das Handelsschiff einen Fluchtversuch machen darf; diese Frage wird von
der bisherigen Praxis bejaht, doch kann das feindliche Kriegsschiff den
Fluchtversuch mit allen Mitteln zu verhindern streben, namentlich auch mit
Waffengewalt.
% Daß dieser Grundsatz zwar in vielen Einzelfällen seitens der Gegner
der Zentralmächte im Weltkrieg. verletzt, aber keineswegs als Rechtsprinzip
beseitigt worden ist, darüber vgl. auch THOMA, Archiv f. Sozialwissenschaft
u. Sozialpolitik Bd. 42 S. 1006 £.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXX VIL. 1. 12