Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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und ihm Gestalt zu geben, namentlich in genauerer Anpassung an 
Besonderheiten. Auch diese Seite stimmte vortrefflich zu dem, 
was das Völkerrecht brauchte: das bloße Kundgeben eines dahinter 
stehenden höheren Rechtswillens zu vermitteln, dazu reichten am 
Ende auch die flüssigeren Rechtserzeugungsinstitute aus, über die 
man hier nur verfügte. 
Im weiterem Vorlauf der Entwicklung hat sich aber der 
Schwerpunkt klärlich verschoben. Die nüchterne Rechtswissen- 
schaft traut der ganzen alten Romantik nicht mehr. Nicht als 
ob man so ohne weiteres auf das Ererbte verzichten möchte. 
Das Rechtsbewußtsein wird nach wie vor von den Lehrbüchern 
angerufen. Aber es dient mehr dazu, Stimmung zu machen für 
das Völkerrecht, ähnlich wie die sonst etwa noch mitgegebenen, 
sehr verständigen Auseinandersetzungen über seine Nützlichkeit 
für das Wohl der Menschen und für die fortschreitende Kultur- 
entwicklung, sowie über die hohen Forderungen der Sittlichkeit, 
die hier ihre Befriedigung finden sollen. Die eigentliche Trag- 
kraft für das Völkerrecht möchte man finden in den früheren unter- 
geordneten Rechtsquellen allein. Auch auf die Vermehrung 
solcher Quellen, wie sie üblich war, um recht zweifelhafte, wird 
noch nicht überall verzichtet. Aber die wichtigsten davon werden 
herausgehoben, um eine kräftige Anlehnung zu finden an dem 
Vorbild des Privatrechts: was dort Gesetz und Ge- 
wohnbeitsrecht ist, das ist im Völkerrecht Staatsvertrag 
und Völkergewohnheitsrecht". Das Streben nach 
solcher Anlehnung ist so stark, daß man sogar die Zweiteilung 
in materielles Zivilrecht und formelles Zivilrecht oder Prozeß 
  
11 v. HOLZENDORFF, Handb. S. 91 f.; GArEIS, Institutionen S. 33 f.; 
v. Liszt, V. R. S. 11; RIVvIER, prineipes S. 35; Nys, Droit international 
8. 153; v. MARTENS, V.R. S. 14; ULLMANN, V.R. S. 39 ff. Der Letztere 
verwahrt sich gegen die falsche Auffassung, „als ob die völkerrechtlichen 
Quellen von jenen der übrigen Rechtsteile dogmatisch verschieden wären. 
Dort wie hier entsteht das positive Recht durch Gewohnheit und ausdrück- 
liche Satzung“ ($. 39, Note 6).
	        
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