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Reiches volle Freiheit von wegen der Reichsverfassung. Daß
landesstaatsrechtlich ein Teilungsverbot entgegenstünde, kann nicht
hindern, diese Möglichkeit vom Standpunkt des Reichsrechts aus
zu betrachten. Denn das landesrechtliche Verbot kann durch
Landesverfassungsänderung völlig rechtmäßig aufgehoben werden.
So unbeschränkt Herr die Gliedstaaten über ihr Gebiet, ja
über ihre Staatspersönlichkeit innerhalb des Reichsverbandes sind,
so begrenzt ist das Reich auf diesem Felde. Ihm steht nämlich
ohne den Willen des Gliedstaates keine Verfügung über dessen
Gebiet oder Bestand zu. „Die Zuständigkeitsgrenze zwischen Reich
und Einzelstaat ist zugleich die Grenze, welche die Gebietshoheit
des Reiches am Reichsgebiet von der Gebietshoheit der Staaten
am Staatsgebiet scheidet.“ Darnach kann das Reich Verwaltungs-
bezirke verschiedenster Art schaffen und umgrenzen (z. B. Art. 18,
Art. 48 RV.), kann Eisenbahnen bauen (Art. 41 RV.), Festungen
anlegen (Art. 65 RV.), u.a. m. Eine Verfügung über das Gebiet
der Bundesstaaten an der Binnen- oder der Außengrenze steht
ihm aber bei fortdauernder Verfassung nicht zu. Denn bei Grenz-
veränderungen dem Auslande gegenüber muß Art. 1 geändert
werden — hievon wird weiter unten noch zu sprechen sein —, bei
solchen im Inlande muß dem Reich erst die Zuständigkeit für den
treffenden Fall geschaffen werden. Auch nicht nach Art. 11 Abs. 1
und 3 RV. kann das Reich ohne weiteres über Gliedstaatsgebiet
verfügen. Diese Bestimmung bezielt zunächst nur, soweit es sich
um Friedensschlüsse handelt, die Zuständigkeit des Kaisers zum
völkerrechtlichen Abschluß von solchen Verträgen auszusprechen.
Nächstdem, soweit Stoffe berührt werden, die dem Gesetzgebungs-
verfahren zugewiesen sind, will sie hiefür die Regeln des Reichs-
verfassungsrechts aufrecht erhalten. Solange „politische Notwen-
digkeit noch kein Rechtsgrund“ ist, solange kann dadurch dem
Reich noch kein uubeschränktes Verfügungsrecht über Gliedstaats-
gebiet als zugeteilt befunden werden. Denn über den Ausschluß
gliedstaatlicher Zustimmung zur Abtretung von mittelbarem, nicht