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Zwar wird behauptet, „Gegenstand des Rechtes sei lediglich die
Zahl der Stimmen, nicht das, was der Inhaber damit ausrichten
kann“. Aber es ist doch kein „fehlerhaftes Ersetzen von Rechts-
vorschriften durch politische Werte, wenn man ihren Inhalt an
den lebendigen Vorgängen des öffentlichen Lebens ermessen will“.
Und selbst zugegeben, Gegenstand des Rechtes sei die reine Zahl
der Stimmen, so hat das bei Beratungs- und Beschlußkörpern
doch immer nur Sinn im Gegensatz und im Verhältnis zu jener
der anderen Mitglieder. Danach wird und kann auclhı beim Bun-
desrat Gegenstand des Rechtes nur sein die Zahl der Stimmen im
Rahmen der Achtundfünfzig oder Einundsechzig. Ihre Bedeutung,
ihr Wert ändert sich, wenn schon eine Stimme ausfällt. Gleich-
gültig wäre es nur, wenn das Sinnlose versucht würde, die Zahlen
der Art. 6, 6a, 78 RV. gleichmäßig zu vervielfachen. Jede Ver-
änderung in der Staaten- und Stimmenzahl betrifft daher jeden
Staat. Sie verändert für jeden Staat die Zahl seiner Stimmen im
Rahmen der Achtundfünfzig oder Einundsechzig, erfordert also die
Zustimmung aller Bundesstaaten. Nur diese —
nicht schon die von JACOBI verlangte Einstimmigkeit der Bundes-
staaten — wegen Art. 7 Abs. 3 Satz 2 RV. — erfüllt den Rechts-
gedanken der Reichsverfassung.
Mit der eben dargestellten Bindung aller Bundesratsstimmen
an und durch das Verhältnis des Art. 6, 6a RV. ergibt sich als
selbstverständlich ohne weiteres auch, daß von einem Anfall oder
Ausfall irgendweleher Bundesratsstimme als einfache Rechtsfolge
nicht die Rede sein kann. Eine so wichtige, einschneidende Regel
müßte auch, ganz abgesehen davon, im Gesetz ausgesprochen sein.
Dies ist aber nicht der Fall. Und selbst wenn man sie durch
kühne Auslegung aus der Verfassung gewinnen wollte, böte sich
kein Anhalt dafür. Der einzige denkbare Anknüpfungspunkt, die
vielumstrittene Erinnerung an Bundeszeiten in Art. 6 RV., versagt
nämlich vollständig. Einmal enthält Art. 6 keineswegs das „Prin-
zip“, „daß die Stimmführung sich nach Maßgabe der Vorschriften