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entsprechend durchzuführen suchte: Das Rechtsschutzmittel des
materiellen Völkerrechts, das in einem eigentümlichen Verfahren
zur Geltung gebracht wird, ist — der Krieg".
Es beruht aber auch nur auf einer freundlichen Selbsttäu-
schung, so ohne weiteres wieder mit jenen zwei „positiven Rechts-
quellen“ arbeiten zu wollen. Die Voraussetzungen fehlen ja hier,
unter denen sie zur Wirkung gelangen könnten.
Im Vertrag wirkt der geeinigte Wille der Vertragspar-
teien. Warum wirkt er im Zivilrecht so? Einzig deshalb, weil
der über jenem stehende Zivilrechtssatz eine solche Wirkung
verleiht. Für den völkerrechtlichen Verkehr wäre ein ent-
sprechender Rechtssatz nicht aufzuweisen. Wer sich das ersparen
zu können glaubt, der arbeitet eben doch noch mit Naturrecht,
bewußt oder unbewußt "°?.
Auch im Gewohnheitsrecht ist nichts Eigenständiges,
Die sehönste Gewohnheit hilft nichts, wenn der Staat sie nicht
durch seine Richter anerkennen und handhaben läßt. Wie weit
er das tun will, ist seine Sache. Ueber den Staaten gibt es aber,
was man schon oft bedauernd hervorgehoben hat, weder einen
Gesetzgeber noch einen Richter, also kann es auch nichts geben,
was dem zivilrechtlichen Gewohnheitsrecht entspräche '*!
12 BULMERING, Syst. d. V. R.S. 64 fl.: das Völkerrecht hat zwei Haupt-
teile: das materielle und das formelle; letzteres bedeutet das Verfahren,
insbesondere auch den Krieg (S. 65), eine „nur rein äußerlich mit dem
Zivilrecht korrespondierende Ordnung.“ v. KALTENBORN, Kritik d. V. R.
S. 316: Krieg ein „internationales Rechtsmittel“. BLunTscHLı, Mod. V.R.
S. 7: der Krieg eine „rohe und unsichere Form des Rechtsschutzes*. LAs-
son, V. R. S. 67 führt das sogar als gemeine Meinung auf, die er bekämpft;
dazu auch S. 171: „der Krieg als Rechtsprozeß*.
18 Oder er verschiebt die Frage überhaupt von dem Boden des Rechtes
auf den der Moral: Wortbruch, auch wo eine rechtliche Verpflichtung
nicht bestand, kann unehrenhaft und ungerecht sein. Auch das wird für
unseren Gegenstand von Wichtigkeit, sofern eben das Moralische hier von
Wichtigkeit wird. Davon aber sprechen wir erst weiter unten. Hier ist
zunächst nur von Recht und Rechtsform allein die Rede.
1# Grundsätzliches über die Frage des Fortbestandes von Gewohnheits-