behörde eingereicht werden. Bei der Wahl waren nur diejenigen
Stimmzettel gültig, welche auf eine der eingereichten Listen lauteten.
Die Listen konkurrierten also, nicht die einzelnen Kandidaten.
Frei stand es dem Wähler nicht, welchen einzelnen Kandidaten
er seine Stimme geben wollte; er konnte sich vielmehr nur zwischen
den einzelnen Listen entscheiden und mußte sie so hinnehmen,
wie sie eingereicht waren. Aber frei stand es bereits einer nur
geringen Anzahl von Wahlberechtigten (10, 20, 50), eine Vorschlags-
liste einzureichen. Man sah in der Forderung einer nur geringen
Anzahl von Unterzeichnern die Gewähr dafür, daß die Wähler
nicht darauf angewiesen waren, sich dem von ihrer Partei be-
schlossenen Listenvorschlag zu fügen, sondern wenn eine dissentierende
Gruppe vor dem Wahlkomitee bei der Aufstellung der Kandidaten
oder der Festsetzung ihrer Reihenfolge auf der Liste kein Entgegen-
kommen fand, so stand es schon in der Macht einer kleinen Gruppe,
eine selbständige Vorschlagsliste einzureichen. Dementsprechend
nannte man das Verfahren treffend „freie Listenkonkurrenz“ (La
Libre Concurrence des Listes). Daneben gebrauchte man in dem-
selben Sinne die abgekürzte Bezeichnung „freie Liste* (La Liste
Libre); sie gewann die größte Beliebtheit!. In diesem Sinne wird
das „Freilistensystem“ bis auf den heutigen Tag in der Schweiz
verstanden ?.
Weil man indessen die demokratische Freiheit dadurch ein-
geschränkt glaubte, daß der Wähler sich bei seiner Stimmabgabe
genau an die eingereichten Listen halten mußte, so kam man dazu,
diese Schranke aufzuheben und dem Wähler zu gestatten, seinen
ı Bröve exposition du systöime Electorale de la Liste Libre, herausge-
geben von der „Association Reformiste“, Genf, 1869.
2 SCHOLLENBERGRE, Grundriß des Staats- und Verwaltungsrechts der
Schweizerischen Kantone I (1900) S. 105. Kuörı, vo. „Verhältniswabl“ in
REICHESBERGs Handwörterbuch der schweizerischen Volkswirtschaft III
(1911) spricht zwar nicht mehr von „freier Liste“, sondern einfach von
Listensystem oder Listenkonkurrenz, aber nirgends bedient er sich der Be-
zeichnung „gebundene Liste*.