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Das Justizministerialreskript vom 9. September 1844 ist der
sprechendste Beweis dafür?®, wie meilenweit man bereits damals,
sogar in der obersten Justizverwaltungsstelle, in Unkenntnis und
Nichtachtung des Geistes des 18. Jahrhunderts, aus welchem die
positiven Landrechtsvorschriften geboren waren, von der richti-
gen Deutung jener großen preußischen Kodifikation entfernt war°®.
# Vgl. hierzu auch Archiv f. bürg. Recht 43, 38 f. und GRUCHOTs Bei-
träge 62, 42.
5° Das JMR. vom 9, September 1844 ist auch abgedruckt im MBl. £.
in. V. 1844 S. 284. Das MR. vom 21. September 1844 (a. a. O. S. 283)
vertritt natürlich nun ebenfalls die irrige Ansicht, daß „Kranken- und
Sterbekassen unbedenklich zu denjenigen Anstalten zu zählen sind, von
denen $ 42 II 19 bestimmt, daß sie im Falle stillschweigender oder aus-
drücklicher Genehmigung von Seiten des Staats die Rechte moralischer
Personenen genießen sollen.“ Andrerseits ist hier Bezug genommen auf
8 34 I 1 AGO.: „Inwiefern aber zu den Processen und anderen gericht-
lichen Verhandlungen solcher moralischer Personen (d. h. 8 33: „Kirchen,
Schulen, Hospitäler und andere Armenanstalten, und milde Stiftungen, in-
gleichen Stadt- und Dorfgemeinen, und überhaupt alle Corporationen und
Gesellschaften, welche in den Rechten als Eine moralische Person be-
trachtet werden‘) höhere Anweisung oder Genehmigung erforderlich sei,
ist nach Verschiedenheit derselben und der vorkommenden Angelegen-
heiten, nach ihren besonderen Statuten und Verfas-
sungen, oder in deren Ermanglung nach den Vorschriften des ALR.
zu beurteilen.“ Der Wortlaut von $ 34 zeigt bestimmt, daß auch die
„öffentlichen Anstalten“ (milden Stiftungen) nach $ 42 II 19 in ihren Ver-
fassungsverhältnissen durch „Legalstatuten“ (mit dem juristischen Charak-
ter von Staatsgesetzen) und particuläres Gewohnheitsrecht (Verfassungen)
geordnet sein konnten — entsprechend dem $ 76 II 19: „Die innere Ein-
richtung und Verfassung einer jeden öffentlichen Armen- oder anderen
Versorgungsanstalt ist durch die für selbige von dem Staat vorgeschrie-
bene oder genehmigte Ordnung ‘und Instruction bestimmt“, woselbst
„Ordnung“ nur eine Verdeutschung von Legalstatut ist, und die gegensätz-
lich gebrauchte „Instruction“ eine interne Dienstanweisung bedeutet.
S. HuBrıca, Statutenbegriff S. 71, 38. Im MR. vom 21. September 1844
heißt es noch: „Sofern es aber darauf ankommt, die Rechte der Anstalt nach
außen hin und gegen Dritte wahrzunehmen, hat die beaufsichtigende Be-
hörde, entweder nach Maßgabe der statutarischen Bestim-
mungen oder, wo es an solchen fehlt, nach Maßgabe der obwaltenden
Umstände, die erforderlichen Autorisationen speziell zu erteilen.“