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werden müssen. Dieser Standpunkt hat grundsätzlich meine Darstellung
Bd. 22 S. 327 f. geleitet, wogegen BRAUN, wie seine ganzen Ausführungen
Bd. 37 8. 129. zeigen, einer derartigen Beweisführung offensichtlich ver-
ständnislos gegenübersteht.
b) Ich darf es m. E. in Anspruch nehmen, daß meine Aufklärungs-
arbeiten über Preußens Öffentliches Recht Beweismaterial zu benützen ver-
stehen, welches von der bisherigen Literatur ohne Berücksichtigung ge-
blieben. BRAUN kennt demgegenüber, wie seine Ausführungen und insbe-
sondere die Zitate Bd, 37 S. 129 f. ergeben, weder mein Preußisches Staats-
recht 1909, noch meine im Verwaltungsarchiv Bd. 16 und 17 abgedruckte,
umfangreiche Abhandlung über die Grundlagen des preußischen Staats-
rechts, noch meine Untersuchung über den „Statutenbegriff im ALR., Greifs-
wald 1916“, obwohl darin weiteres, sonst unbekannt gebliebenes Material
zur Unterstützung meiner Beweisführung in Bd. 22 S. 327 f. enthalten ist.
c) BrAun zitiert den $ 7 II 13 nicht wortgetreu! Es ist daselbst
nicht die Rede von den „Privilegien als Ausnahmen von den Gesetzen“
(so BrAun S. 140; im gleichen Irrtum v. MArTITZ, Ehrentitel 1910 S. 188),
vielmehr heißtes: „Privilegia als Ausnahmen von dergleichen
Gesetzen zu bewilligen, Standeserhöhungen, Staatsämter und Würden
zu verleiben gebührt nur dem Oberhaupt des Staats.“ BRAUN hat über-
sehen, daß gerade durch die Charakterisierung der Privilegien als „Aus-
nahmen von dergleichen Gesetzen“, d. h. als Ausnahmen von den
im 8 6 II 13 genannten, generellen Erscheinungsarten der potestas
legislatoria der Landrechtsgesetzgeber deutlich genug zu verstehen gegeben
hat, er sehe in den Privilegien des $ 7 IT 13 „Individualgesetze‘. Dem-
entsprechend zählt auch SUAREZ, Aphorismen zur allgemeinen Rechtslehre
(SIEWERT 4. 1801, S. 21) ausdrücklich zur gesetzgebenden Macht auch
die Befugnis: „4. Ausnahmen von allgemeinen Gesetzen zu bestimmen, ent-
weder in Ansehung gewisser Personen (Privilegia) oder für gewisse Fälle
(Dispensationen)‘, wie auch der Gesetzrevisor das Recht, Privilegien zu
erteilen, direkt als einen Teil der gesetzgebenden Gewalt bezeichnet (Pens.
XH S. 90 f.). An solchen Quellenstellen darf m. E. die sorgfältige Gesetzes-
auslegung nicht achtlos vorübergehen. In MÜLLERs Promtuarium juris
IX 1788, 2. Aufl. VI 1796 Art. Privilegium (benutzt bei Abfassung der Ein-
leitung ALR. KocaH, Preuß, Privatrecht I S. 109) heißt es ebenfalls: Pri-
vilegia, quia leges sunt, et exemtiones a jure communi ab eo solum con-
ceduntur cui leges ferendi jus competit. — Privilegia non habent effectum
suum & tempore concessionis, sed publicationis. Neque tamen opus est,
ut magistratus publicet, sed publicatio quoque fieri potest per eum, qui
id impetravit. — Privilegium non obligat nisi probatum fuerit, id legitime
insinuatum fuisse aut publicatum. Quae publicatio ut fiat, privilegiatus
statim, cum privilegium impetrat, curare debet. HuBrıca, Die Entwick-
lung der Gesetzespublikation in Preußen 1918 8. 13 £.