_ 14 —
Diesen Rechtsbegriff kennen wir, und daß ein Völkerrecht,
das ihm entspräche, nicht herzustellen ist, das wird schlechthin
zugegeben werden müssen. Die Frage ist nur, ob man nun des-
halb unvermeidlich zu einem solchen „Leugner“ werden muß. Der
orthodoxe Rechtsbegriff ist nicht sakrosankt. Es wird zu
prüfen sein, ob er nicht vielmehr seinerseits sich anzupassen
hat an die Forderungen der Wirklichkeit. Der
Gedanke ist ja schon öfter ausgesprochen worden, daß die wissen-
schaftliche Schwierigkeit des Völkerrechtes auf diesem Wege ihre
Lösung zu erhalten hätte®. Das würde also ein dritter Weg sein
und, wie es scheint, der gerade.
Vom Standpunkte der allgenieinen Rechtslehre hat namentlich
IHERING die Frage in seiner großzügigen „Weise behandelt °®.
„Der Staat ist die einzige Quelle des Rechts“ ; denn Recht ist In-
begriff der „Zwangsnormen“, und da der Staat das„Zwangsmonopol*
grifllich unmöglich, weil ein Widerspruch zur Souveränetät, dem einzigen
essentiellen Begriffsmoment des Staates.“ —
Auch HEGEL wird gern solehen Leugnern des Völkerrechts gleichge-
achtet oder als nahe verwandt. Was er (Rechtsphilosophie 8. 416 ff.)
unter der Ueberschrift „Das äußere Staatsrecht* darstellt, ist aber nichts
anderes als Völkerrecht als reines Erzeugnis des Willens selbständiger
Staaten und ohne willkürliche Zutaten, gemäß dem hier bezeichneten Stand-
punkt. Die einleitende Beschreibung in $ 330 entspricht diesem: „Das
äußere Staatsrecht geht von dem Verhältnisse selbständiger Staaten aus;
was an und für sich in demselben ist, erhält daher die Form des Sollens,
weil, daß es wirklich ist, auf unterschiedenen souveränen Willen
beruht.“ Natürlich muß man HEGEL zu lesen verstehen, was nicht bei
allen heutigen Juristen der Fall ist. Auch der Name „äußeres Staatsrecht*
trifft dafür sehr wohl zu,
22 FRICKER, in Ztschft f. Staatswiss. XXVIIL S. 91: „Vielmehr muß sich
jener (der Begriff des Rechts) nötigenfalls eine Korrektur aus der Betrach-
tung des Völkerrechtes gefallen lassen.“ Ders. ebenda XXXIV 8. 403:
„BERGBOHM will das Völkerrecht retten, ohne an dem scharfen und exak-
ten Rechtsbegrifl, wie ihn die hochausgebildete juristische Wissenschaft
bedarf, etwas nachzulassen. Dies ist ein unmögliches Problem.“ — Der-
selbe Gedanke, von der andern Seite her zum Ausdruck gebracht, beı
KALTENBORN, Kritik S. 307.
®® Der Zweck im Recht. 4. Aufl. S. 247 ff.