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ordnung dem staatlich-fürstlichen Souveränitätsinteresse dıenstbar
zu machen. Mit Eindringlichkeit macht Verfasser auf die „Un-
wahrheit des äußeren Auftretens des polizeistaatlichen Polizeige-
dankens“, aber auch auf die politische Tendenz der polizeilichen
Anordnungen aufmerksam. Es geht dem ancien regime haupt-
sächlich um die Autorität und Souveränität des Herrschers
und des in ihm symbolisch verkörperten Staates. Damit war
eine Gleichheitstendenz verbunden, die die ständischen Gewalten
untergraben, dem Grundsatz des öffentlichen Wohles, aber auch
der Idee der einheitlichen Staatsgewalt Vorschub leisten mußte.
In der Sitten- und Religionspolizei zeigt sich, vielleicht noch
mehr als in den wirtschaftspolizeilichen Maßnahmen, „die eigene
Existenz des Prinzips des staatlichen und fürstlichen Autoritäts-
interesses“, das in der berüchtigten Gesinnungspolizei gipfelt.
Die Polizei dient auch nur scheinbar der bürgerlichen Zucht und
der Kirche, sucht sich vielmehr in Wirklichkeit deren Autorität
psychologisch dienstbar zu machen. Der Realismus des Polizei-
gedankens entartet ın Skeptizismus, Frivolität und Unwahrheit.
Unmoralische Mittel, Geheimpolizei, Denunziantentum, Vernich-
tung des bürgerlichen Ehrgefühls waren die Folgen, die den Ver-
fall der Achtung vor dem Staate nach sich zogen. Hatte der
Polizeigedanke die öffentliche Moral zerstört, so untergrub er sein
eigenes Ansehen und den Geist der Autorität. Erst diese Ueber-
spannung, nicht schon das polizeiliche Wirken, ließen dieses als
lästig, ja unerträglich, besonders in dem Bürgertum des 18. Jahr-
hunderts, empfinden. Die Tätigkeit der Polizei, Schutzgewährung
gegenüber Verbrechen, Seuchen, Schmutz, auch gegen die Will-
kür feudaler Gewalten wurde ursprünglich wohltätig aufgenommen.
Die spätere Entartung des Polizeigedankens, die dies änderte, war
mit darin beschlossen, daß der Begriff des allgemeinen Wohles
noch unbedingt mit dem fürstlichen Souveränitätsinteresse ver-
koppelt war. Als dies nicht mehr der Fall war, diente jener Be-
griff natürlich der allmählichen Erweckung des Bürgersinns, der