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ein eigenes Urteil besaß, Quelle des Revolutionsgeistes zu sein
schien. Die Not des Vaterlandes hinderte den erwachten Bürger-
sinn, sich gegen den alten Polizeigedanken zu wenden. Nach
1815 war es zu spät. Je mehr die tätige Teilnahme des Bürger-
tums ausgeschaltet war, desto mehr dehnt sieh der Polizeigedanke
aus, desto eindringlicher machte er sich geltend. Flüchtet er sich
in das System des ancien regime, so führt dies zu inneren Ge-
gensätzen, weil der ursprüngliche Inhalt des alten Polizeige-
dankens ein ganz anderer war, als der der Restauration, der sich
dem Kampfe gegen die französische Revolution widmet. Der
polizeirechtliche Grundsatz des ALR. wurde mißachtet, sogar der
Wert der Rechtsidee verkannt; die Ueberzeugung von der be-
schränkten Einsicht der Untertanen wurde zum Dogma erhoben.
Aus diesem Geiste ist das Gesetz über die Zulässigkeit des Rechts-
weges in bezug auf polizeiliche Verfügungen vom 11. Mai 1842
geboren. Mit feinem Sarkasmus schildert Verfasser, wie die
Obrigkeit vor rechtlicher und politischer Kritik — in dem Glau-
ben an die Notwendigkeit und Richtigkeit alles Bestehenden —
dieses schützen, für die Ruhe des bürgerlichen Denkens sorgen,
das Unterordnungsbewußtsein pflegen zu müssen wähnte Als
Mittel galten neben den Anordnungen auf wirtschafts- und ver-
kehrspolizeilichem Gebiete: die Zensur, die Regelung der Feier-
tagsheiligung, die Vereins- und Versammlungspolizei, die Nieder-
haltung politischer Geistesbetätigung, besondere Maßnahmen gegen
die Burschenschaften. Angeberwesen, behördliche Willkür, Unter-
grabung der Staatsautorität waren die Folgeerscheinungen. Das
Prinzip der Souveränität wurde wieder mit dem Feudalismus unter-
mischt, der Staatsbürgergedanke mußte unterdrückt werden. In-
dem alle Autorität mit der staatlichen gleichbewertet wurde, ge-
langte man zu einer „ Wesensentäußerung des Polizeigedankens als
des Prinzips autoritärer Ordnungswahrung im inneren Staatsleben “.
Es war ein Irrtum der Restauration, sich der Staatstbeorie L,
v. HALLERs zu bedienen, die einer Leugnung des Polizeigedankens
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