Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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soziologischer Erkenntnis gegründete Takt befähigen allein, den 
politischen Polizeigedanken zu erfassen, ohne den die Verwirk- 
lichung des rechtlichen Polizeigedankens nicht möglich ist. 
Dieser Grundeinstellung entspricht es auch, daß Verfasser — 
im allgemeinen mit der Rechtsprechung des preußischen OV@. 
einverstanden — sich kritisch zu einzelnen grundsätzlichen Auf- 
fassungen dieses Gerichtshofes stellt. Er kämpft auch an gegen die 
Meinung des thüringischen Oberverwaltungsgerichts, das im Jahre 
1913 die Aufführung eines Stückes mit biblischem Stoffe als zu 
Recht verboten erklärte mit der Begründung, daß zu der von der 
Polizei zu schützenden „öffentlichen Ordnung“ auch die „öffent- 
liche Sittlichkeit* gehöre. Diesen Satz erklärt W. als schlechter- 
dings falsch, zumal unter „öffentlicher“ Sittlichkeit nicht verstan- 
den werden wollte ein der Sittlichkeit entsprechendes äußerliches 
Handeln, sondern eine „allgemeine Sittlichkeit“. Auch die 
Definition des preußischen OVG., auf die sich das thüringische 
beruft, erklärt W. nicht nur als falsch, sondern innerlich unwahr. 
Dort wird vom „Inbegriff der sittlichen Anschauungen, die die not- 
wendige Grundlage des staatlichen Zusammenlebens bilden“ ge- 
sprochen. Doch sei die aus Rache geschehene anonyme Denun- 
ziation eine widerliche Unsittlichkeit, die schlechterdings „die 
Grundlage des staatlichen Zusammenlebens“ untergrabe. Das- 
selbe gelte von stadtbekannten Ausschweifungen, alkoholischen 
und sexualen, von Leuten in sozialen und staatlichen Würdestel- 
lungen, von der Tätigkeit des Anwalts, der „jede“ Sache übernimmt, 
von all den unzähligen Handlungen, die nur infolge der Gesetzes- 
kunde des Täters sich dem starrmaschigen Begriffsnetz unseres 
Strafgesetzbuches entziehen. Habe man je aus solchen Tatbe- 
ständen die Berechtigung zu polizeilichem Einschreiten wegen 
Gefährdung der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt? Darin liege 
das innerlich Unwahre jenes Satzes des preußischen OV@. (S. 198.). 
Auch an anderer Stelle (S. 227) ist eine wertvolle Kritik zur 
Judikatur des preußischen OVG. gegeben. Die Prüfung der „Not-
	        
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