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werden können als durch Erweiterung der staatsbürgerlichen
Rechte gegenüber der Staatsgewalt, durch Ausbau der Ver-
fassungseinrichtungen, durch ernstliche Erweiterung des Selbst-
verwaltungsgedankens, nicht zuletzt durch Ausdehnung der Ver-
waltungsgerichtsbarkeit auf immer weitere Gebiete subjektiver Be-
rechtigungen, durch entsprechende Verminderung des bloßen Be-
schwerdeweges. In der Länge des Weltkrieges liegt auch die große
Gefahr, daß viele für die nationale Verteidigung und Sicherung
notwendigen Zwangsmittel während dieser Zeit sich trotz mannig-
fachen Widerstandes des „Bürgersinnus“ einleben, die Bevölkerung
(auch Handel, Gewerbe, Verkehr) sich — zwar weniger an die
Einschränkungen der persönlichen Freiheit — aber an die Zweck-
mäßigkeit der Wohlfahrtsförderung gewöhnt. Die geistig unselb-
ständigen Elemente werden dann immer mehr alles Heil von den
Staatsbehörden erwarten und, beim Nachlassen des Verantwort-
lichkeitsgefühls der großen Massen, die Minderung ihrer Persön-
lichkeitsrechte nicht mehr so ungern in Kauf nehmen. Dies
schädigt letzten Endes die Kultur des Staates selbst, der nur bei
lebendiger und sich vorwärts bewegender Kraft seiner Angehö-
rigen bestehen und gedeihen kann. Gerade wer sich mit aller
Kraft für die Staatsidee einsetzt, muß vor der Ueberspannung einer
Mechanisierung und Bürokratisierung warnen, muß auf die Ge-
fahren aufmerksam machen, die in der immer schrankenloseren
Geltendmachung von Ansprüchen wirtschaftlicher und sonst mate-
rieller Art gegenüber dem Staate — unter gleichzeitigem Rückgang
der politischen Persönlichkeitsrechte — liegen.
Auch eine andere, die Gegenwart stark bewegende Grundidee
hat eine eigenartige innere Verknüpfung mit dem Problem der
Beziehung von Verwaltungsrechtslehre und Verwaltungswissen-
schaft. Ich meine jene dem richterlichen Ermessen durch Gesetz
(z. B. 8 157 BGB.) und durch wissenschaftliche Strömungen zu-
erkannte Freiheit, die mit den Ausdrücken „freie Rechtsschule‘“,
„soziologische Jurisprudenz* und ähnlich, nur annähernd richtig