Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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IV. Das Völkerrecht steht mit in der Reihe der Erscheinungen, 
die sich die Hand reichen, um den Begriff des Rechts in der äuße- 
ren Welt zu verwirklichen. Es hat ebenso vollen Anspruch auf 
den Namen Recht wie die anderen. Freilich das Auge des Juri- 
sten, das verwöhnt ist vom Anblıck der schimmernden Wehr, in 
welcher das bürgerliche Recht einherschreitet, vermißt ara Völker- 
recht eine entsprechende Ausstattung mit festen Formen recht- 
licher Geltungsgewähr. Man mag es in diesem Sinne ein un- 
vollkommenes Recht nennen, en unfertiges®; nur 
dürfen wir nicht glauben, es mit unseren juristischen Künsten je- 
mals fertig machen zu können. Schiedsgerichte, Friedenskongresse, 
Völkerbund haben ihr Gutes, aber sie werden stets mit Ennttäusch- 
ungen enden. Die besten Garantien des Völkerrechts liegen im 
Unjuristischen: in der klugen Schätzung seines Wertes für das 
eigne Wohl und in der Macht des Sittengebotes. Das letz- 
tere allein bedeutet eine selbständig wirkende Kraft. Mit dem Sitt- 
lichen hat ja alles Recht Berührungen. Für die ganz besondere 
Rolle aber, die es im Völkerrechtlichen spielt, legen unsere Lehr- 
bücher Zeugnis ab. Während einer besonderen Zivilmoral, Straf- 
prozeßmoral, Verwaltungsmoral kaum gedacht wird, findet in der 
allgemeinen Lehre vom Völkerrecht auch die Völkermoral 
wenigstens ehrende Erwähnung °®. 
Wenn wir auf diesen Punkt etwas näher eingehen wollen, 
zeigt sich allerdings sofort, daß mit der Moral in ihrem weiten 
Begriff hier nichts anzufangen ist. Es handelt sich ja um den 
recht)... erhält daher die Form des Sollens“ — des bloßen Sollens, 
dürfen wir erläutern. Vgl. auch oben Note 21. 
83 Bruntsoatı, Mod. V. R. 57: „Die heutige Welt muß sich daher mit 
der weniger vollkommenen Offenbarung des Völkerrechts begnügen, welche 
in der Anerkennung der einzelnen Staaten liegt.“ ULLMANN, V. R. S. 19; 
„Der Zustand jetziger Unvollkommenheit des Völkerrechts.“ JELLINEK, 
Allg. Staatslehre S. 379. 
®° v. HOLZENDORFF, Handb. d. V.R. $ 17; Urumann, V.R.$7, I, 
Lasson, Prinzip und Zukunft S. 143f.; RiVIER, principes $ 1, 4; MERKEL, 
Enzykl. $ 870.
	        
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