Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

5 — 
Staat in seinem Verhältnisse zum anderen Staat. Der Staat 
aber in aller seiner Herrlichkeit hat für sich selbst doch keine 
Moral und kein Gewissen ®°., Das müssen ihm die Menschen leihen, 
die für ihn handeln und tätig sind, Staatsoberhaupt und Staats- 
männer vor allem und wer sonst Einfluß hat auf das, was hier 
geschieht. Und welche Moral sollen sie dabei zur Geltung 
bringen? Die der Bergpredigt so schlechthin gewiß nicht. Aber 
überhaupt nicht ihre eigene Moral als Einzelmenschen, die sie 
sind, sondern diejenige, die der Staat haben müßte in seiner be- 
sonderen Stellung, mit seinen gewaltigen Aufgaben und seinem 
unersetzlichen Wert, die Staatsmoral, vermöge deren es für 
ihn nur eine Todsünde gibt: sein Dasein und dessen freie Ent- 
faltung nicht über alles zu setzen. Ueber diese Moral sagt dem 
Staatsmann sein Gewissen nicht so ohne weiteres das Erforder- 
liche, wie dem Schwarzwälder Bauern das seinige, von dem 
HEBEL singt: „'s cha dütsch, Gott Lob.“ Hier handelt es sich 
um eine besonders geschulte Moral und um eine besondere Unter- 
abteilung der Moral, die gerade auch auf solche obrigkeitliche 
Dinge paßt und zugeschnitten ist: die Gerechtigkeit ist in Frage. 
Wenn man ernsthaft Moral predigen will, hilft es zu gar nichts, 
in verschwommenen Allgemeinheiten zu bleiben. Ad hominem 
muß demonstriert werden können, ohne auf Schritt und Tritt einen 
durch die Natur der Sache begründeten Widerspruch herauszu- 
fordern. Das kann hier nur die Gerechtigkeit. 
Man hat dieser Notwendigkeit größerer Bestimmtheit des mo- 
ralisch Geforderten auch schon dadurch entsprechen wollen, daß 
man den Rechtssinn (Rechtsgefühl, Rechtsbewußtsein) hinter 
das Völkerrecht stellte. Der bedeutet ja ein gewisses Verständnis 
“ Für das Völkerrecht wäre es vielleicht besser, er hätte solches. 
BLUNTSCHLI, Mod. V.R. S. 54, möchte ihm wohl dazu verhelfen: „Da sich 
kein Staat seiner Menschennatur entledigen kann, so darf er sich auch 
seiner Menschenpflicht nicht entziehen.“ In ähnlichem Sinne v. HoLzEn- 
DORFF, Handb. d. V,R. S.60: „Nicht nur die einzelnen Menschen, sondern 
auch die Nationen haben ein Gewissen.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.