Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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geschlossen, wenngleich die wütenden Pöbelmassen von Tientsin 
im Juni Leben und Eigentum der dort wohnenden Deutschen 
nicht angetastet hatten. Um über etwa gemeinsam zu ergreifende 
Maßregeln Rücksprache zu nehmen, begab sich Kapitän zur See 
Köhler, der Kommandant der „Hertha“, an Bord der „Venus“, 
wo er zum ersten Male von der Wahrscheinlichkeit eines deutsch- 
französischen Krieges hörte. Köhler entschloß sich in der Nacht 
vom 9. zum 10. August nach Nagasaki in See zu gehen, wo die 
„Hertha“ am 12. August anlangte. Zwei Tage später lief auch 
die französische Korvette „Dupleix“ ein. Im Laufe des 16. August 
ließ der Kommandant des „Dupleix“, Fregattenkapitän Lespes, 
den Kapitän zur See Köhler um eine Unterredung bitten, worin 
er zunächst privatim, sodann im Beisein des deutschen und französi- 
schen Konsuls die Neutralisierung der chinesischen Gewässer 
vorschlug. 
Ein solches Abkommen mußte beiden Teilen vorteilhaft er- 
scheinen. Es lag im französischen Interesse, China gegenüber 
freie Hand zu behalten und mit allen verfügbaren Kräften die 
Tientsin-Sache weiter zu verfolgen. Auch vom deutschen Stand- 
punkte aus mußte es lebhaft gewünscht werden, in China durch 
scharfes Vorgehen der Franzosen der Wiederholung ähnlicher 
Vorfälle an anderen Orten vorgebeugt zu sehen?. Zudem war 
der französische Vorschlag geeignet, der deutschen Handelsflotte 
in Ostasien während des Krieges freie Bewegung zu gestatten. 
Der norddeutsche Handel in China hatte einen großen Auf- 
schwung genommen, während französische Kauffahrteischiffe immer 
seltener wurden. Dagegen ließen französische Kriegsschiffe, 
deren 27 in den dortigen Gewässern stationiert waren, sich über- 
all sehen. „Hertha* und „Medusa“ vermochten den deutschen 
Schiffen dieser Uebermacht gegenüber nur geringen Schutz zu 
bieten. Endlich war es von der größten Wichtigkeit, den Chinesen’ 
und Japanern vor Augen zu führen, daß europäische Mächte, 
  
2 M. v. BRANDT, Seite 21.
	        
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