Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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diges Staatevolk zu werden. Nur einige Parteien stellen die Forderung des 
Eigenstaates auf. Die praktisch gerichtete Bevölkerung strebte aus der 
engeren Heimat in größere Verhältnisse, bisher nach Frankreich, um mit 
individuellen Kräften ein größeres Staatswesen zu bereichern. Es ist ein 
Fehler, daß Elsaß-Lothringen sich nicht von vornherein an ein großes deut- 
sches Staatswesen unmittelbar hat anschließen können, sondern in provin- 
zieller Enge verblieben ist. So kam der Drang nach dem Westen (was in 
dieser Richtung Verf. ausführt, berührt sich mit den Ansichten von LuJo 
BRENTANO, Elsässer Erinnerungen 1917, besonders S. 144 ff). Während die 
deutschen Bundesstaaten organisch gewachsen sind, vor allem die süd- 
deutschen das Bild natürlicher Uebereinstimmung von Volk und Regierung 
bieten, würde der autonome elsaß-lothringische Staat etwas künstlich Ge- 
machtes, Gezüchtetes darstellen. Die staatsrechtliche Form würde einen 
in sich unausgeglichenen Gegensatz von Volk und Regierung umschließen. 
Das Volk würde „in der Haltung unpolitischer Staatsindifferenz“ bleiben, 
die Autorität der Behörden durch die der Partei oder Parteiführer ersetzt 
werden. Nur der Anschluß an ein schon bestehendes festgefügtes großes 
Staatswesen kann Elsaß-Lothringen innere Ruhe, Wirtschaftsförderung; Sinn 
für das Deutschtum bringen. 
Es ist eine ganz ausgezeichnete, von tiefem Verständnis für alle in 
Frage kommenden Momente erfüllte, in Grundgedanken und in allen Einzel- 
heiten durchsichtig klare Schrift, die kein Staatsrechtler unbeachtet lasseu 
sollte. 
Cöln. Professor Dr. Stier-Somlo. 
Schultze, Dr. A. S., ord. Professor der K. W. Universität Straßburg, Der 
sogenannte Verständigungsfriede im Lichte des Völ- 
kerrechts. 1918, Jena. Verlag von Gustav Fischer, 31 S. 
Verfasser betont den Rechtscharakter der Repressalie als eines vom 
Völkerrecht anerkannten gewohnheitsrechtlichen Strafrechts, das nicht nur 
bei jeder einzelnen Verletzung eines einzelnen Rechts Platz greife, sondern 
auch für den einem unschuldigen Staate aufgezwungenen Krieg in seiner 
Gesamtheit. Wiederherstellung, Entschädigung, Recht auf Strafe und Sicher- 
heit für die Zukunft werden aber nicht durch Repressalien, sondern erst 
im Friedensvertrage festgesetzt. An der Ostgrenze verlangt Verf. eine teil- 
weise Einverleibung russischer Gebietsteile, an der Westgrenze dauernde 
Sicherung gegen Wiederholung verräterischer Anschläge, wie sie zwischen 
Belgien, England und Frankreich vor dem Kriege verabredet worden seien. 
Deutschland habe durch seinen Einmarsch die Neutralität nicht mehr ver- 
letzt, denn diese habe nicht mehr bestanden und außerdem habe es in Not- 
wehr gehandelt, die nicht nur gegen einen schon tatsächlich begonnenen, 
sondern behufs Abwehr durch einen zuvorkommenden Angriff möglich sei. 
Nicht Eroberungen und Vergewaltigungen, sondern rechtlich und sittlich
	        
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