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kerrechte den sogenannten Grundrechten der Staaten,
wie sie die Lehrbücher so gerne aufführen *. Sie beruhen auf
Völkerrechtssätzen, getragen von der allseitigen Anerkennung der
Staaten der Kulturgemeinschaft. Sie bedeuten nichts anderes als
ein gewisses Mindestmaß an ungestörtem Dasein und freier Ent-
wicklung, das jeder Staat immer für sich in Anspruch nimmt und
folglich nach dem Grundsatz der Völkergerechtigkeit auch den
andern zu lassen hat. Die treibende Kraft der Gerechtigkeits-
forderung ist so stark, daß man die übliche Unterscheidung der
Rechtsquellen hier gar nicht weiter beobachtet: daß die Staaten
solches Gerechtigkeitsrecht gewollt haben müssen, wird ohne wel-
teres angenommen ®®. Zur Not würde man ja ein Gewohnheits-
recht anrufen. Aber die Tatsache der Anerkennung muß jeden-
falls genügen.
Es muß aber überhaupt jeder einmal bestehende Völkerrechts-
satz bis auf weiteres dafür angesehen werden, daß er
der Völkergerechtigkeit entspreche und ihr diene. Daftr gibt
schon seine Entstehungsart Gewähr, indem sie ja immer eine Ein-
willigung der beteiligten Staaten voraussetzt, der berufenen Hüter
also dessen, was jeder für „das Seine“ ansehen will. Das gleiche
gilt von Einzelverpflichtungen und Rechtsänderungen, die durch
ausdrückliche Verträge oder formlosere Willensäußerung zustande
kommen.
Bei den Rechtssätzen kommt hinzu, daß sie auch durch die Form
ihrer Kraftäußerung die Gerechtigkeit verbürgen: durch die ihnen
eigentümliche Wirkung nach gleichen allgemeinen Regeln nämlich
47 vw, MARTENS, V. R. IS. 293 ff.; ULLMAnNNn, V. R. S. 142fi.; v. HoL-
ZENDORFF, Handb. II S. 47 ff.; GAREIS, Inst. d. V. R. S. 91ff.; HEILBORN,
System d. V.R, 8. 279ff.; HEFFTER, Europ. V.R. 8. 70ff. zählt auf: Terri-
torialrecht, Recht der Selbsterhaltung, Recht eines freien staatlichen Wal-
tens, Recht auf Achtung, Recht auf gegenseitigen Verkehr.
4 HRFFTER, Europ. V. R, S. 70: „Als Grundprinzip ergibt sich die
Gleichheit des Rechtes.* GAarEıs, Inst. 1 S. 34 Note 1 bringt diese Selbst-
verständlichkeit zum Ausdruck durch die Bezeichnung als Jus necessarium,