Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

— 406 — 
unseres Verfassungslebens Stellung genommen, auf das gründlichste sein Wesen, 
sein politisches Merkmal, seine rechtliche Stellung, seine Vorzüge und Nach- 
teile geprüft, endlich untersucht, ob sich seine Einführung in Deutschland 
empfiehlt, welche Mittel und Wege hierzu dienlich sind, welche Schwierig- 
keiten ihr entgegenstehen. 
Ein parlamentarisches System liegt vor, wenn bei bestehender Monaıchie 
der König durch den Vorschlag des Parlamentes in der Auswahl seiner Mini- 
ster gebunden ist; wenn er sein Programm nach dem derjenigen Partei, der 
die Minister angehören, zu richten hat; wenn das Ministerium, beim Fehlen der 
Parlamentsmehrheit gelegentlich einer wichtigen Gesetzesverlage, zum Rück- 
tritt gezwungen ist. Das parlamentarische System ist eine Regierungsform der 
Republik, während die konstitutionelle ein System von Normen darstellt, das 
den König zwar beschränkt, ihm aber doch die Möglichkeit persönlichen Regi- 
ments nicht versagt. — Die Vorzüge und Nachteile der beiden Systeme läßt 
Verfasser nicht in abstrakt theoretischer Form an uns vorüberziehen. Er ver- 
fällt vielmehr auf den glücklichen Gedanken, einen guten Monarchisten und 
einen guten Republikaner (wie sich herausstellt, einen Engländer, 8. 31£.) 
zum Worte zu gestatten, die vor uns in lebhaft bewegter, wenn auch einseitig 
befangener Rede und Gegenrede das eigne System loben, das fremde tadeln. 
Der Republikaner sieht in beiden Systemen eine Halbheit, wehrt sich dage- 
gen, daß die parlamentarische Regierungsweise häufigere Richtungswechsel, 
die das ruhige Gleichmaß der Regierungsarbeit stören, aufweise, als die 
konstitutionelle, bei der der Jnhaber der Staatsgewalt die Richtung des Staats- 
schiffes wirklich bestimmen aber letzteres auch in energieloser Gleichgültigkeit 
steuerlos lassen kann. Die Regierung des konstitutionellen Staates weise eine 
gewisse Einheitlichkeit auf, weil König, Hof, Militär, Staatskirche und Beamten- 
tum in derselben Richtung wirken; aber das Parlament sei gegenüber der Re- 
gierung nicht mächtig, bei der Parteizersplitterung einflußlos. Zu den Folgen 
der monarchischen Staatsform gehört es, daß zwischen Regierung und Volk oder 
Volksvertretung kein Einklang entstehen kann. Der politische Jnstinkt und 
die elementare politische Durchsohnittsbildung fehlen, wenn auch nicht gänz- 
lich, dem seiner Regierung vertrauensvoll folgenden deutschen Volke, das zwar 
durch die Tugenden der Pflichttreue, Ehrlichkeit, Disziplin, des Gehorsams 
und des Mutes ausgezeichnet sei und kulturell hochstehe, willig große Lasten 
trage, aber vor dem Kriege in bedenklichem Maße dem Wohlleben zugeneigt 
gewesen sei. Herrschen und, Gehorohen gehöre zum Wesen des Staates. Aber es 
stellten die Republikaner die Selbst beherrschung aller, die Monarchisten die 
Beherrschung aller durch einen als Ziel auf. Die Erziehung zur Führung soll 
in der Demokıatie für alle eine Schule der Pflicht und des Rechtes sein; in der 
konstitutionellen Monarchie sei aber die Herrschaft das Recht des einen, Gehor- 
sam die Pflicht des andern. Dort sei eine mehr praktische, hier eine rein theo- 
retische Bildung für das politische Leben vorhanden. Die Erziehung zum
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.