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unseres Verfassungslebens Stellung genommen, auf das gründlichste sein Wesen,
sein politisches Merkmal, seine rechtliche Stellung, seine Vorzüge und Nach-
teile geprüft, endlich untersucht, ob sich seine Einführung in Deutschland
empfiehlt, welche Mittel und Wege hierzu dienlich sind, welche Schwierig-
keiten ihr entgegenstehen.
Ein parlamentarisches System liegt vor, wenn bei bestehender Monaıchie
der König durch den Vorschlag des Parlamentes in der Auswahl seiner Mini-
ster gebunden ist; wenn er sein Programm nach dem derjenigen Partei, der
die Minister angehören, zu richten hat; wenn das Ministerium, beim Fehlen der
Parlamentsmehrheit gelegentlich einer wichtigen Gesetzesverlage, zum Rück-
tritt gezwungen ist. Das parlamentarische System ist eine Regierungsform der
Republik, während die konstitutionelle ein System von Normen darstellt, das
den König zwar beschränkt, ihm aber doch die Möglichkeit persönlichen Regi-
ments nicht versagt. — Die Vorzüge und Nachteile der beiden Systeme läßt
Verfasser nicht in abstrakt theoretischer Form an uns vorüberziehen. Er ver-
fällt vielmehr auf den glücklichen Gedanken, einen guten Monarchisten und
einen guten Republikaner (wie sich herausstellt, einen Engländer, 8. 31£.)
zum Worte zu gestatten, die vor uns in lebhaft bewegter, wenn auch einseitig
befangener Rede und Gegenrede das eigne System loben, das fremde tadeln.
Der Republikaner sieht in beiden Systemen eine Halbheit, wehrt sich dage-
gen, daß die parlamentarische Regierungsweise häufigere Richtungswechsel,
die das ruhige Gleichmaß der Regierungsarbeit stören, aufweise, als die
konstitutionelle, bei der der Jnhaber der Staatsgewalt die Richtung des Staats-
schiffes wirklich bestimmen aber letzteres auch in energieloser Gleichgültigkeit
steuerlos lassen kann. Die Regierung des konstitutionellen Staates weise eine
gewisse Einheitlichkeit auf, weil König, Hof, Militär, Staatskirche und Beamten-
tum in derselben Richtung wirken; aber das Parlament sei gegenüber der Re-
gierung nicht mächtig, bei der Parteizersplitterung einflußlos. Zu den Folgen
der monarchischen Staatsform gehört es, daß zwischen Regierung und Volk oder
Volksvertretung kein Einklang entstehen kann. Der politische Jnstinkt und
die elementare politische Durchsohnittsbildung fehlen, wenn auch nicht gänz-
lich, dem seiner Regierung vertrauensvoll folgenden deutschen Volke, das zwar
durch die Tugenden der Pflichttreue, Ehrlichkeit, Disziplin, des Gehorsams
und des Mutes ausgezeichnet sei und kulturell hochstehe, willig große Lasten
trage, aber vor dem Kriege in bedenklichem Maße dem Wohlleben zugeneigt
gewesen sei. Herrschen und, Gehorohen gehöre zum Wesen des Staates. Aber es
stellten die Republikaner die Selbst beherrschung aller, die Monarchisten die
Beherrschung aller durch einen als Ziel auf. Die Erziehung zur Führung soll
in der Demokıatie für alle eine Schule der Pflicht und des Rechtes sein; in der
konstitutionellen Monarchie sei aber die Herrschaft das Recht des einen, Gehor-
sam die Pflicht des andern. Dort sei eine mehr praktische, hier eine rein theo-
retische Bildung für das politische Leben vorhanden. Die Erziehung zum