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unter sorgfältiger Abwägung der beiderseitigen Gründe mit vollem Recht
die Zentralisierung der Zensur der Dezentralisierung vorzieht. Die zitierten
Beispiele des Auslandes stützen seine Ansicht. Am Schluß tritt dann HELL-
wıa in ebenso zu billigender Weise für die Schaffung einer von ihm näher
erläuterten Reichsfilmzensur ein, deren Entscheidungen er eine Be-
schwerdeinstanz im Reichsamt des Innern und darüber hinaus eine Instanz
für das Verwaltungsstreitverfahren — im PrOVG. setzt. Das ist nach dem
Verf. keine Eigentümlichkeit, da ja auch sonst die Verwaltungsgerichte als
bundesstaatliche Gerichte gleichwohl „sich mit reichsrechtlich geregelten
und von reichswegen ihnen zugewiesenen Materialien (?) zu beschäftigen
haben.“ Hierbei übersieht Verf., daß das oberste Verwaltungsgericht eines
Bundesstaats nur innerhalb und für die Entscheidungen einer Behörde des
Bundesstaates zuständig ist, niemals gegenüber einer Reichsbehörde und
mit unmittelbarer Wirkung für das ganze Reich. Eine Singularität würde
demgemäß jedenfalls vorliegen. — Mehrere Druckfehler stören.
Würzburg. Denzler.
Dr. Albert Hellwig, Ritualmord und Blutaberglaube.
Verlag von J. ©. C. Bruns. Minden. 174 Seiten.
Der durch seine Untersuchungen über die Beziehungen von Verbrechen
und Aberglauben bekannte Verf. nimmt mit dieser Arbeit, die bestimmt
ist die Ergebnisse der Wissenschaft in weitere Kreise zu tragen, Stellung
zu der leider wieder einmal aktuell gewordenen (Anmerkung: Die Be-
sprechung wurde im Frühjahr 1914 geschrieben) Frage nach der Existenz
eines jüdischen Ritualmords. Nachdem er in den Einleitungsseiten das
Thema bestimmt und uns auf den Kampfplatz der Meinungen geführt
sowie Literatur zitiert hat, gibt er im ersten Kapitel unter Aufzäh-
lung der einzelnen Fälle eine „Geschichte der Blutbeschuldigung‘, de-
ren Unhaltbarkeit er im nächsten durch eine Betrachtung auf jüdisch-
theologischer Grundlage wie auf kriminalpsychologischer Basis dartut, und
stellt im folgenden Kapitel dem Ritualmord den Mord aus Blutaberglauben
gegenüber, worauf er im letzten Kapitel dem Aberglauben und Blutaber-
glauben bei den Juden eine besondere Erörterung widmet. Das Ergeb-
nis lautet: -Der jüdische Ritualmord besteht nur in der mißgeleiteten
Einbildung; wohl aber kann so gut wie von einem andern auch von einem
Juden ein Mord aus Blutaberglauben begangen werden.
Indes zweifle ich, ob die beiden Begriffe „Ritual“ und „Volksglaube*
die der Verf. das ganze Buch hindurch streng zu trennen bemüht ist, nicht
doch flüssige Grenzen haben; vgl. S. 154ff, Zu bedeuten ist dabei, daß Hand-
lungen des Volksglaubens und Zeremonien des Rituals regelmäßig ihre
Wurzel in einem gemeinsamen Vorstellungskreis haben und daß in der
Entwicklung der Dinge beide von einander Einflüsse empfangen. Letzteres