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Pariser Taubstummenlehrers A. BELANGER über die Stellung des Taub-
stummen vor dem französischen Gesetz übt Verf. Kritik an der Auffassung
des französischen Gesetzgebers, der, wie im übrigen auch namhafte deut-
sche Psychiater, bei der Beurteilung des Taubstummen allein darauf Ge-
wicht legt, ob dieser Unterricht genossen hat oder nicht, und vertritt im
Gegensatz dazu die Anschauung der Reichsgesetze, vor allem des BGB. und
seiner Nebengesetze, der Prozeßordnungen sowie des RStGB. unter Berück-
sichtigung des VE. wornach in erster Linie das Maß der geistigen bzw.
auch sittlichen Kräfte im einzelnen Fall entscheiden soll. Die Zuziehung
des Dolmetschers bei Rechtshandlungen des Taubstummen wird in ausge-
dehntem Umfang befürwortet. Ein kurzer historischer Abriß beschließt
die Untersuchung, die auch für den Kriminalpsychologen mehrfache An-
regung bietet.
Würzburg. Denzler.
Dr. jur. Franz Josef Ueberreiter, rechtskundiger Bürgermeister in Weil-
heim, Die rechtlichen Verhältnisse der Ortsstraßen
besonders in Bayern, 2. Auflage. Verlag von Gebr. Memminger
Würzburg. 8. 95.
Die aus einer Würzburger Dissertation hervorgegangene Schrift wendet
sich vor allem an die Praxis, und daß diese sie als tüchtig und brauchbar
erkannt hat, zeigt die neue Auflage, in der sie nunmehr vorliegt. Nachdem
Verf. im ersten Teil die Geschichte des öffentlichen Wegerechts in Deutsch-
land in Kürze behandelt, sowie den Gang der Wegegesetzgebung in Bayern,
Preußen, Sachsen, Württemberg beschrieben hat, wendet er sich dem gel-
tenden Rechte zu, wobei er zunächst, ausgehend vom Begriff des öffent-
lichen Wegs im allgemeinen, die Besonderheit der Ortsstraße mit E. WALZ
darin findet, daß sie 1. dem allgemeinen Verkehr innerhalb der Ortschaft
und 2. dem Anbau gewidmet ist. Ihrer rechtlichen Natur nach ist die
Ortsstraße regelmäßig Gemeindeeigentum, dem gegenüber „im Wege
von Verwaltungsregeln die subjektive Verfügungsberechtigung der Gemein-
den gewissen Einschränkungen unterworfen ist“. 8. 40.
Des weiteren erörtert Verf. die Begründung und Einziehung der Orts-
straßen und öffentlichen Wege überhaupt und teilt dabei die herrschende
Ansicht, nach welcher die Eigenschaft des öffentlichen Weges ausschließ-
lich durch Verwaltungsakt begründet und entzogen wird, der entweder in
einer förmlichen Erklärung der zuständigen Behörde oder in „schlüssigen
Handlungen‘, z. B. in faktischer Behandlung eines Weges als öffentlichen,
bestehen kann. Zu überlegen ist aber, ob letzterenfalls unter Umständen
dem Verwaltungsakt nicht lediglich deklaratorische Bedeutung zu-
kommt, indem die Behörde die in der Vergangenheit durch possessio im-
memorrialis begründete Rechtslage des öffentlichen Weges nur anerkennt.
In diesem Sinn v. REITZENSTEIN, Art. „Wege und Straßen“ $ 8 bei STENGEL!