Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 38 (38)

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S.168— 214) merklioh bereichert. Besonders hervorzuheben ist da die gediegene 
Uebersicht über die verschiedenartigen Versuche, den Gründungsvorgängen so- 
wie namentlich dem Verhältnisse der Reichsverfassung zu den zugrundliegenden 
Verträgen juristisch beizukommen (S. 190—202, teilweise wiederholt S. 694 £.). 
Als ausgesprochener Vertreter der Lehre vom monarchischen Bundesstaatsrecht 
findet AnscHÜrtz selbst erst in den 22 Publikationspatenten zum Norddeut- 
schen Bund den rechtlichen Schwerpunkt des ganzen Gründungsverlauts (S. 194). 
Bis dahin ein Stück des Bündnisses, also Vertragsbestandteil, änderte die Bun- 
desverfassung durch diesen Gesamt- oder Vereinbarungsakt, der mit der Schaf- 
fung eines Rechtssubjekts die Setzung neuen Rechtes bezweckte und außerhalb 
des Völkerrechts blieb, ihren Charakter und wurde Bundesgesetz; die vertrags- 
mäßige Grundlage erlosch mit Erfüllung der Verträge (S. 195, 694), die fortab 
bloß als Auslegungsmittel Bedeutung behielten (S. 207). Für die Gründung des 
Reiches ergibt sich dann alles weitere natürlich von selbst (S. 207, 694). 
Ob aber mit dieser geistreichen, gewiß ungemein durchdachten Konstruktion 
die endgültige, alle Teile befriedigende juristische Lösung des alten Problems 
einwandfrei und restlos gelungen ist, muß hier allerdings dahin gestellt bleiben. 
Auch im zweiten noch urbeendigten Teile (das heutige deutsche Staatsrecht) 
kommt der Bearbeiter speziell im zweiten Buche (die Organe S. 267-636) und 
im dritten Buche (die Funktionen, 8. 637 vorläufig bis 722) auf diese Grund- 
fragen zurück. Hier wird freilich mit äußerster Folgerichtigkeit die Konse- 
quenz gezogen, daß es „in den Grenzen des dem Reiche durch Art. 78 seiner 
Verfassung übertragenen Könnens und Dürfens liege, die Einzelstaaten unter 
Aufhebung ihrer Staatlichkeit in autonome Verbände oder Selbstverwaltungs- 
körper ohne Staatseigenschaft und damit das Reich aus einem Bundesstaat 
in einen Einheitsstaat zu verwandeln“ (S. 693). Hier wirft sich aber die Frage 
auf, ob damit nicht die Grenzen der juristischen Methode überschritten werden. 
Es gehört noch immer zu unseren verbreitetsten Berufskrankheiten, mit hem- 
mungsloser freischaltender Phantasie auch die unwirklichsten Fälle zu ersinnen, 
um aus dem Gesetze nur ja alles herauszuholen, wasin den Falten seines Wort- 
lautes verborgen sein könnte, statt wie bei der diophantischen Gleichung die 
unbrauchbaren Lösungen auszuscheiden! Diese Art von Dialektik verführt ja 
auch denVerf. (8.505), sogar die Wählbarkeit der deutschen Landesherren in den 
Reichstag zu prüfen oder in dem sonst meist vortrefflich bearbeiteten Abschnitte 
über die Rechtsverhältnisse der Beamten (S. 563—636) eine Lehre von den Gren- 
zen des dienstlichen Gehorsams aufzustellen, die ausnahmsweise schon deshalb 
keine Verbesserung bedeutet und namentlich um nichts besser ist, als die von 
LABAND St.R. I S. 462 ff. geführte herrschende Meinung, weil sie doch Fälle 
enthält, auf die es meistens praktisch kaum ankommen wird, wie z. B. die 
Prüfung, ob der Befehl tatsächlich vom Vorgesetzten ausgeht, ob es auch der 
Vorgesetzte ist oder ob wirklich ein Dienstbefehl gemeint ist (S. 596). Nur 
auf diese übertriebene juristische Gewissenhaftigkeit und Einseitigkeit, wie sie
	        
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