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der Forderung stärkeren Eintretens des ersteren für die letzteren Ausgaben,
Fin kleines Meisterstück von Darstellungskunst und Kritik ist der VIIE
Unterabschnitt (S. 61 ff.), der von den Grundrechten des Staatsbürgers han-
delt und die anhaftenden Mängel wie ihre teilweise mangelhafte praktische
Durchführung (z. B. bei der Aemterbesetzung!) schrittweise bei jedem Grund-
rechte aufzeigt (vgl. bes. S. 65). Auch die knappe und doch alles allgemein
Wissenswerte enthaltende Darstellung der Entwicklung des absoluten Staates
zum Rechtsstaat zeigt STIER-SOMLO als souveränen Beherrscher der Materie.
Jene führt ihn zwanglos zur Frage der praktischen Verwaltung im Rechts-
staate, zu Vor- und Ausbildung der Verwaltungsbeamten, zur Lehre vom freien
Ermessen und schließlich zur — wiederum hochaktuellen — Reform der Ver-
waltung. Unter Betonung, daß diese Frage sich nur für jedes Staatswesen
gesondert untersuchen lasse, werden hier nach einer knappen, aber guten
Geschichte der Entwicklung der preußischen Verwaltung deren Mängel auf-
gezeigt. Als deren hauptsächlichste erscheinen dem Verfasser die Langsam-
keit der Geschäftsführung, das Ueberwuchern bürokratischer Gesichtspunkte,
die „geradezu widersinnige Häufung der Verwaltungsbehörden, die verwickel-
ten Zuständigkeitsverhältnisse, die Fülle von Rechtsmittelinstanzen“. Als
Heilmittel schwebt ihm vor allem die Zuführung lebendigen Blutes in die Zen-
tralinstanz durch Heranziehung von Kräften aus dem Juristen-, dem Kauf-
manns- und Fabrikantenstande vor, ein Mittel, das mir im Hinblick auf die
Summe von Spezialkenntnissen, die von den Verwaltungsbeamten gefordert
werden müssen und weil es Gefahren in sich schließt, die der Verfasser in ande-
rem Zusammenhange, bei seiner Zurückweisung der ‚Freien Rechtsschule”
— eine Zurückweisung die m. E. sogar noch etwas schärfer hätte ausfallen
dürfen —, wohl erkannt hat, nur mit sehr starken Kautelen in noch größerem
Umfange, als es schon der Fall ist, angewendet werden dürfte.
Sehr zu begrüßen sind die für eine unbedingt erforderliche Entlastung
der Ministerialinstanz und ihre Beschränkung auf Regierungsgeschäfte im
großen Stil vorgeschlagenen Maßnahmen, vor allem die Abnahme der Rolle
einer Berufsinstanz und die Schaffung eines Chefs des Staatsministeriums,
Ob die — als Postulat ja gewiß sehr'erwünschte — Forderung, die dem Wunsche
nach Verminderung des Schreibwerks entspringt, und die dahin geht, in der
Zentralinstanz den Schriftenverkehr mehr durch mündliche Besprechungen
zu ersetzen, als praktisch durchführbar sich erweisen wird, erscheint mir im
Hinblick auf die Arbeitslast, die auf den einzelnen höheren und höchsten
Beamten lastet und die durch noch mehr zeitraubende Konferenzen weiter
erhöht würde, mehr als zweifelhaft.
Mit Recht tritt Sr.-S. für eine Verminderung der Instanzen, Verminde-
rung der Aufsichtsbefugnisse und Erweiterung der Selbstverwaltung ein. Dieser
Abschnitt gehört überhaupt mit den Ausführungen über ‚Beamtenstaat und
Volksstaat“ (S. 111£ff.) und über soziales Beamtentum (8. 117 ff.) zu den